5. Kapitel: Zusammen leben

Vorwort

Unsere vielfältige Gesellschaft ist stark. Weil Menschen sich engagieren, beim Sport, bei der freiwilligen Feuerwehr, in Musikschulen, in religiösen Gemeinden oder am Sorgentelefon, Junge für Alte, Alte für Junge. Weil es ein breites Kulturangebot gibt, eine vielfältige Medienlandschaft. Weil die Jugend sich einmischt, weil Menschen in Kommunalparlamenten Verantwortung übernehmen, sich Bürger*innen in Foren einbringen und das Schicksal ihrer Orte in die Hand nehmen.

Aber Demokratie ist nie fertig. Unser demokratisches Zusammenleben in Deutschland und Europa ist ein Versprechen, das wir immer wieder neu erfüllen müssen. Es verspricht gleiche Entfaltungsmöglichkeiten und Rechte für alle, die hier leben. Für Demokratie, Freiheit und Toleranz sind mutige Menschen in der Vergangenheit auf die Straße gegangen: Bürgerrechtler*innen, Umweltbewegte, Friedensaktivist*innen und Frauenrechtler*innen. Und auch in der Gegenwart kämpfen Menschen für eine vielfältige, offene und tolerante Gesellschaft. Bündnisgrüne Politik knüpft daran mit einem gesamtdeutschen Blick an, der die Besonderheiten der Regionen anerkennt. Es ist oft anstrengend, teils eine Zumutung, wenn andere Ansichten und Werthaltungen akzeptiert und respektiert werden müssen, wenn es den einen zu schnell und den anderen zu langsam vorangeht. Aber vor allem ist es eine Stärke: zuhören, den Dialog suchen, inhaltlich ringen. So haben wir als demokratische Gesellschaft die Herausforderungen der letzten Jahrzehnte
gemeistert. Nun gilt es mit voller Gleichberechtigung und mehr Beteiligung unsere liberale Demokratie zu stärken, in Deutschland und in Europa, auf den Straßen, in den Parlamenten, und unsere Institutionen fit zu machen für die Aufgaben dieses Jahrzehnts.

Menschen sind unterschiedlich, aber gleich in ihrer Würde und ihren Rechten. Nur wenn Würde und gleiche Rechte unverhandelbar sind, wenn alle Menschen in unserer Gesellschaft, in unserem Europa gleichen Schutz und gleiche Chancen haben und ihre Rechte in Anspruch nehmen können, kommen Freiheit und Sicherheit – individuelle und gesellschaftliche – heraus und wird Gerechtigkeit befördert. Dieser Anspruch ist jedoch noch nicht voll verwirklicht. Wenn mit Frauen die Hälfte der Bevölkerung nicht gleichberechtigt beteiligt, repräsentiert und bezahlt wird und Menschen noch immer Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus erleben, ist die Demokratie nicht vollkommen. Nötig sind mehr Zugänge, mehr Teilhabe, mehr Selbstwirksamkeit und mehr Repräsentanz, zum Beispiel für Menschen in prekären Lebensverhältnissen, Menschen mit Migrationsgeschichte oder mit Behinderung. Eine gleichberechtigte Gesellschaft braucht Politik, die Strukturen verändert.

Rassismus trifft uns nicht alle, aber er geht uns alle an. Wenn wir als Gesellschaft lernen, Vielfalt als kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Reichtum zu begreifen, schützen wir uns gegenseitig vor Gewalt, Hetze, Ausgrenzung, Frauenhass, Queerfeindlichkeit und Rassismus. Aber das reicht noch nicht. Wir wissen, dass aus diskriminierenden Worten Taten werden. Die Angriffe von Demokratiefeind*innen, insbesondere von rechts, treffen unsere demokratische Gesellschaft bis ins Mark. Sie zielen auf Menschen beim Beten, beim ausgelassenen Beisammensein oder in den Institutionen des Staates. Ihnen muss mit einer antirassistischen und antifaschistischen Haltung klar entgegengetreten werden. Unsere Demokratie muss wehrhaft dagegenhalten, mit einer starken Zivilgesellschaft, selbstbewussten Parlamenten, einer gut ausgestatteten und bürger*innennahen Polizei und einer schnell handlungsfähigen, unabhängigen Justiz. Es ist Aufgabe der Politik, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

Wie wir unser Zusammenleben gestalten, hängt stark vom Zusammenspiel zwischen Bürger*innen und dem Staat ab. Wenn Menschen beteiligt und gehört werden, geht Planung schneller. Wenn Jugend mitentscheidet, werden Entscheidungen besser und zukunftsfester. Wenn Gleichberechtigung und Vielfalt herrschen, werden sie ausgewogener und nachhaltiger. Wir wollen deshalb mehr Möglichkeiten schaffen, damit Menschen sich einbringen können.

Immer mehr Herausforderungen sind europäisch und global. Sie bewältigen wir nur in einer starken Europäischen Union, die Handlungswillen und Handlungsfähigkeit zusammenbringt und die von ihren Bürger*innen aktiv und demokratisch mitgestaltet wird. Darum denken wir unsere Demokratie konsequent europäisch, wollen diese vertiefen und stärken, lähmende Blockaden strukturell überwinden – und so Zukunftsfragen beherzt angehen. Unser Fixstern für die Weiterentwicklung der Europäischen Union ist die Föderale Europäische Republik mit einer europäischen Verfassung.

Die Pandemie hat etliche Defizite bei ihrer Bekämpfung wie unter dem Brennglas offenbart: Faxgeräte im Dauerbetrieb, fehlendes Personal und überbordende Bürokratie verhindern ein effektives staatliches Handeln. Unser Ziel ist ein moderner, engagierter Staat, der mit einer effizienten, zugänglichen Verwaltung transparent, offen und in der Lage ist, Krisen effektiv zu managen, digitale Teilhabe zu sichern und es den Bürger*innen insgesamt leicht macht, ihren Alltag zu bewältigen und ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Gewohnte Traditionen und Prinzipien müssen überdacht werden, denn eine inklusive digitale Transformation und die Modernisierung von Verfahren sind zentrale Bausteine, um Demokratie, Teilhabe und Zusammenarbeit zu stärken. Um diese Aufgabe zu stemmen, ist eine bessere strukturelle Verankerung der Digitalisierung auf allen Verwaltungsebenen notwendig. Wir wollen mit Anstand und Transparenz regieren. Gleichberechtigung, Kooperation sowie der Zusammenhalt in Vielfalt sind Maßstäbe, um einen bürger*innennahen Staat zu verwirklichen.

 

Wir machen den Staat effektiver und bürger*innennäher
Planungs- und Investitionsbeschleunigung: bessere Qualität für schnellere Umsetzung

Deutschland braucht im nächsten Jahr eine Modernisierungsoffensive. Die Schieneninfrastruktur, erneuerbare Energien und die Energienetze müssen ausgebaut, Schulen, Straßen und Brücken saniert, digitale Infrastrukturen aufgebaut werden. Doch derzeit dauert es oft viel zu lange, solche Projekte zu realisieren, Investitionsmittel fließen nicht ab. Das wollen wir ändern. Für eine Planungsbeschleunigung schaffen wir mehr öffentliche Planungskapazitäten. Wir starten auf allen Ebenen eine Personaloffensive in Planungsbehörden und zuständigen Gerichten. Verfahren werden durch die Bündelung von Genehmigungen verschlankt und die vorhandenen Ansätze von „konzentrierten Genehmigungen“ auf alle zentralen Infrastrukturprojekte ausgedehnt. Außerdem führen wir behördeninterne Fristen ein und achten bei allen Planungen auf Inklusion. Zudem soll der Bundestag mehr Verantwortung bei Infrastrukturprojekten übernehmen, wenn darüber Konfliktlösungen schneller erreicht werden können. Auch die frühzeitige Einbindung der
Bürger*innen vor Ort führt in der Regel dazu, dass Projekte schneller und besser abgeschlossen werden können. Ziel ist, alle Planungs- und Umsetzungszeiten zu halbieren.


Digitale Ämter – serviceorientiert, schnell und zuvorkommend

Jeden Tag verrichten gut ausgebildete Fachleute in den Behörden ihre Arbeit, um das Land am Laufen zu halten. Dennoch ist für viele Menschen der Kontakt zu deutschen Behörden unkomfortabel und unzeitgemäß. Ein Grund dafür sind unzureichende Technik und veraltete und überkommene Abläufe. Mit barrierefreien E-Government-Dienstleistungen, sicheren digitalen Beteiligungsformaten und Open Government wollen wir unsere Verwaltung modernisieren und unnötige Bürokratie wie Schriftformerfordernisse abbauen. Verwaltungsverfahren sollen stets digital gedacht und gestaltet werden, vor allem auch in der Zusammenarbeit mit Unternehmen. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass die Türen des Staates auch für den persönlichen Kontakt mit den Bürger*innen geöffnet bleiben und durch mobile Angebote ergänzt werden. Die Nutzung der digitalen Verwaltungsleistungen soll über einen zentralen Zugang erfolgen. Der Austausch von Unterlagen unter den Behörden muss nach Zustimmung und unter Beachtung des Datenschutzes möglich sein. Damit die Verwaltung all dies leisten kann, muss sie selbst digitalisiert werden. Wir setzen uns gemeinsam mit den Ländern dafür ein, dass die Verwaltung flächendeckend mit der modernsten Technik ausgestattet wird, vom Gesundheits- bis zum Bürger*innenamt. Digitalisierung wird das Verhältnis von Staat und Bürger*innen auf eine neue Basis stellen. Wir verfolgen dabei die Vision eines digitalen, antragslosen und proaktiven Sozialstaats. In diesem werden Leistungen des Staates ohne komplizierte Anträge geprüft und automatisch den Berechtigten bereitgestellt.


Der Personalausweis auf dem Smartphone

Wer mit einer digitalen Identität ausgestattet ist, kann sich bequem authentifizieren und sicher kommunizieren. Was in skandinavischen Ländern schon lange Praxis ist – Behördengänge einfach mit dem Smartphone erledigen zu können –, wollen wir auch hier erreichen und dabei auch von Anfang an Möglichkeiten für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft ganzheitlich denken. Wir wollen digitale Serviceangebote der Verwaltung als Plattform für Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft begreifen und durch modulare sowie sichere Komponenten einen Mehrwert für alle schaffen. Bestehende Systeme wollen wir zusätzlich öffnen und ermöglichen, dass öffentliche Stellen auch Identitätsmerkmale bestätigen können. So wollen wir eine Identitätsinfrastruktur schaffen, die es natürlichen und juristischen Personen erlaubt, ihre digitale Identität mit Hilfe von Smartphones, Onlinediensten oder Ausweisdokumenten zu nutzen. Mit Offenheit und Technologieneutralität wollen wir EU-weit interoperable digitale Identitäten zu einer Basisinfrastruktur unseres digitalen Gemeinwesens machen. Für die Kommunikation mit der öffentlichen Hand wollen wir ein offenes System schaffen, das einen Ende-zu-Ende-verschlüsselten Austausch von Nachrichten ermöglicht. Bürger*innen sollen einen Anspruch auf die digitale Zustellung von Behördendokumenten erhalten. Dabei benötigen Menschen, die nur analog unterwegs sind, Unterstützung durch Weiterbildung und Hilfe. Jede Person soll mit einer kostenfreien digitalen Identität ausgestattet sein, um sich digital ausweisen und digital unterschreiben zu können. Ein solches Smartphone-Wallet kann in allen Sektoren verwendet werden. Im Rahmen einer ganzheitlichen E-Government-Strategie wollen wir einen Mobilpass für unterschiedlichste Mobilitätsangebote, Serviceangebote der Verwaltung, E-Health- und E-Justice-Infrastrukturen und auch digitale Beteiligungsformate ermöglichen. Gleichzeitig wollen wir die gesetzlichen Grundlagen dafür schaffen, dass auch die Wirtschaft branchenübergreifend dieses Verfahren nutzen kann, etwa für sichere Loginverfahren, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen oder durch digitale Vollmachten erlaubte Zugriffe auf öffentliche Register, etwa zur Verifikation von Führerscheinen. Die EU und Deutschland müssen bei hoheitlichen digitalen Identitäten Vorreiter sein und Vertrauen durch Souveränität schaffen.


Transparenzgesetz für Open Data

Der Zugang zu staatlichen Datenbeständen ermöglicht innovative, elektronische Dienstleistungen sowie neue demokratische Beteiligungsmöglichkeiten. Auch für neue technologische Anwendungen ist der geregelte Zugang zu offenen Daten aus staatlichen Beständen wichtig. Durch die Vorlage eines Bundestransparenzgesetzes werden wir staatliche Datenbestände der Allgemeinheit nach den Prinzipien der Open Data zur Verfügung stellen. So heben wir den Schatz von mit öffentlichen Mitteln erwirtschafteten, nicht personenbeziehbaren Daten. Das bestehende Datenportal GovData wollen wir zu einem zentralen und nutzerfreundlichen Open- und E-Government-Portal ausbauen. Zur Sicherung umfassender, gleichberechtigter Teilhabe und einer souveränen Verwaltung wollen wir, wo immer dies möglich ist, offene Standards, Schnittstellen und Software nutzen, die entstehende Software unter freier Lizenz veröffentlichen und werden sie als Standard in die Vergabe- und Vertragsordnungen für öffentliche Gelder aufnehmen.


Erneuerung braucht gute Daten

Auch die Corona-Krise hat wieder einmal gezeigt, dass Deutschland bei der Verfügbarkeit von Daten weit hinter vergleichbaren Ländern zurückliegt. Während in den USA viele Daten quasi in Echtzeit vorlagen und politische Maßnahmen zeitnah evaluiert werden konnten, fehlen bei uns hinreichende und schnell verfügbare Daten. Wir wollen das ändern und zeitnah Daten der Forschung, den politischen Entscheidungsträger*innen und der Zivilgesellschaft zur Verfügung stellen. Wir richten ein öffentliches Dateninstitut mit einem gesetzlichen Forschungsauftrag ein, um Grundsatzfragen zur besseren Verfügbarmachung oder Anonymisierung von Daten zu behandeln und die Vernetzung, Entwicklung von Standards und Lizenzmodellen voranzutreiben. Ziel ist es, die Forschung in dem Bereich zu verbreitern, neue Ansätze zu testen, den Austausch zwischen verschiedenen Projekten zu befördern und beratend bei der Zusammenführung von Daten zu unterstützen, damit soll auch Missbrauch verhindert und Schlichtungen sollen begleitet werden. Es braucht einen Paradigmenwechsel hin zu gemeinsamen Standards statt abgeschotteter Datensilos und zum Beispiel die Möglichkeit, über Datentreuhandmodelle einfaches und datenschutzfreundliches Datenteilen zu ermöglichen. Das Statistische Bundesamt stärken wir ebenfalls, um die Datenverfügbarkeit für Politik, Öffentlichkeit und die Forschung zu verbessern und die Daten zeitnäher zur Verfügung zu stellen.


Klimaneutrale Bundesverwaltung

Klimaschutz braucht Vorreiter und Vorbilder. Wir wollen, dass die Bundesverwaltung endlich beides wird. Die Bundesverwaltung muss klimaneutral werden. Das umfasst sowohl die Versorgung mit Ökostrom und den Fuhrpark der Bundesbehörden als auch die Gebäude des Bundes, die mit erneuerbaren Heiz- und Kühlsystemen ausgestattet und umfassend energetisch modernisiert werden. Mit der Einführung eines Solarstandards über Neubauten hinaus werden die Dächer der Bundesbehörden zu Kraftwerken. Bei Dienstreisen sind Flugreisen auf ein Minimum zu begrenzen. Zudem sorgen wir dafür, dass der Bund seine Beschaffung und seine Förderkriterien an der Einhaltung von ökologischen, Menschenrechts- und sozialen Standards orientiert. Bei der Ausschreibung und Förderung von öffentlichen Vorhaben wollen wir bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung einen CO2-Schattenpreis zugrunde legen. So geht die Politik mit gutem Beispiel voran.


Der lernende Staat

Corona- und Klimakrise führen uns vor Augen, mit welch großen Herausforderungen Regierung und Verwaltung heute umgehen müssen. Wir wollen, dass die öffentliche Verwaltung in die Lage versetzt wird, vorausschauend zu handeln und sich zugleich zügig und konsequent an ihre jeweiligen Aufgaben anpassen zu können. Dafür braucht es eine Kultur behördlicher Zusammenarbeit sowie der Ermöglichung innovativer Ansätze. Innovationseinheiten und agile Projektteams in den Behörden sollen diesen Kulturwandel befördern und zugleich für Zusammenarbeit über alle Ebenen hinweg sorgen. Flexible Arbeitszeiten und eine positive Fehlerkultur stärken die Akzeptanz neuer Verhaltensmuster. Die Behörden sollen eng und transparent mit Wissenschaften, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, sich untereinander vernetzen sowie neue Ideen testen. Künstler*innen und andere Kreative sollen als Ideen- und Impulsgeber*innen in Transformationsprozesse einbezogen werden. Mitarbeitende und Beamt*innen der öffentlichen Verwaltung
sollen außerdem in ihrer Expertise und Kreativität, etwa durch Fortbildungen, gefördert und gestärkt werden. Wir setzen uns zudem für mehr Kooperation der Ministerien bei der Verfolgung gemeinsamer Ziele ein.

 

Justiz entlasten und digitalisieren

Gerichte und Strafverfolgungsbehörden haben mit einer hohen Arbeitsbelastung zu kämpfen. Verfahren dauern zu lang. Hier braucht es dringend Entlastung durch mehr Personal, durch außergerichtliche Streitbeilegung, durch die Entkriminalisierung von Bagatelldelikten und durch eine flächendeckende Ausstattung der Justiz mit der nötigen Technik. Wir wollen grundsätzlich die Justiz serviceorientierter gestalten und hierzu neue Wege suchen. Die Digitalisierung der Justiz wie auch ihren Personalbedarf werden wir durch einen Bund-Länder- Digitalpakt Justiz in Fortsetzung und Konkretisierung des Ende 2021 auslaufenden Pakts für den Rechtsstaat mit ausreichender Finanzierung umsetzen. Polizei und Staatsanwaltschaft müssen digital zusammenarbeiten können, wozu es einheitliche Programme und zureichende Bandbreiten braucht. Wir fördern und vereinfachen die elektronische Kommunikation zwischen Bürger*innen und Justiz. Dazu gehört der leichte Zugang zum Recht durch schnelle Online- Verfahren für einfache
Rechtssachen und zu stärkenden konsensualen Verfahren der Streitbeilegung. Wir wollen das externe ministerielle Einzelfallweisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft beschränken und transparent machen und den Ländern ermöglichen, Modelle der gerichtlichen Selbstverwaltung zu erproben.


Den öffentlichen Dienst stärken und modernisieren

Der öffentliche Dienst, die Millionen Menschen, die in Verwaltungen, Ministerien und Behörden arbeiten, sind ein Rückgrat unserer Demokratie und das Fundament unseres Gemeinwesens. Doch in den letzten Jahrzehnten wurde zu oft am öffentlichen Dienst gespart und gekürzt – die Konsequenzen spüren wir heute alle. Damit unser Staat mit den großen Herausforderungen Schritt halten kann, müssen die Mitarbeiter*innen unseres Gemeinwesens dazu in die Lage versetzt werden. Wir wollen deshalb den öffentlichen Dienst wieder stärken und ihn zugleich modernisieren. Mehr Stellen, gerade im IT- und Planungsbereich, gute Bezahlung, flexible Laufbahnen, mehr Durchlässigkeit machen den öffentlichen Dienst fit für das 21. Jahrhundert. Dazu starten wir eine große Fortbildungsoffensive für die öffentliche Verwaltung und werden die Digitalisierung zum Schwerpunkt einer jeden Verwaltungsausbildung machen.


Vielfalt in der Verwaltung

Die Vielfalt der Gesellschaft muss sich auch in ihrer Verwaltung widerspiegeln. Das stärkt die staatlichen Institutionen und trägt zu Vertrauen und Bürger*innennähe bei. Eine diverse und diskriminierungskritische Verwaltung entsteht aber nicht von selbst, sondern benötigt Mittel, Strukturen und gezielte Förderung. Im Bereich des öffentlichen Dienstes und der Unternehmen mit Bundesbeteiligung hat der Staat die Möglichkeit, als gutes Beispiel in Sachen Vielfalt voranzugehen und ein Diversity-Mainstreaming in der gesamten Verwaltung einzuführen. Dazu gehört beispielsweise, Mehrsprachigkeit in der Verwaltung zu fördern und bei der Einstellungs- und Beförderungspraxis nicht nur die Gleichstellung der Geschlechter, sondern auch die gesellschaftliche Vielfalt zu beachten, diskriminierungskritische Organisationsentwicklungen in öffentlichen Behörden und Unternehmen durchzuführen und in den Unternehmensleitbildern das Ziel der Gleichberechtigung und der Repräsentanz diskriminierter Gruppen zu verankern sowie diversitätssensible Weiterbildungen anzubieten. Ganz besonders gilt dies für die im Bewerbungsprozess besonders relevanten Einheiten wie die Personalabteilung oder Einstellungskommissionen, die so weit wie möglich geschlechtergerecht und vielfältig zu besetzen sind. Wir werden verbindliche Zielvorgaben zur Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund auf allen Ebenen einführen. Das Diversity Budgeting, also den Einsatz und die Evaluierung von Haushaltsmitteln in einer Vielfalt besonders fördernden Weise, wollen wir voranbringen.

Wir treten ein für Vielfalt, Anerkennung und gleiche Rechte
Einheit in Vielfalt

Wir alle sind unterschiedlich, aber an Rechten und Würde gleich. Zusammenhalt in Vielfalt setzt voraus, respektiert, anerkannt und gehört zu werden, mitgestalten und teilhaben zu können, ohne Angst frei zu leben und sich als Gleichberechtigte zu begegnen, das Gemeinsame neben den Unterschieden zu sehen. Deshalb werden wir das Leitbild „Einheit in Vielfalt“ zur Gestaltung einer rassismuskritischen und chancengerechten Einwanderungsgesellschaft gesetzlich verankern. Damit die Perspektive und Expertise derjenigen, die von Diskriminierung und struktureller Benachteiligung betroffen sind, gehört werden, sie als Gleichberechtigte die Möglichkeit zur vollen Teilhabe erhalten, wollen wir einen Partizipationsrat, ähnlich dem Deutschen Ethikrat, als ein gesetzlich verankertes und unabhängiges Gremium einführen, mit Vertreter*innen aus der (post-)migrantischen Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Forschung, die die unterschiedlichen Dimensionen von Vielfalt abbilden. Um Diskriminierung systematisch abzubauen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, wollen wir die Themen und Zuständigkeiten, die Gleichberechtigung und Teilhabe an der offenen und vielfältigen Gesellschaft betreffen, bei einem Ministerium bündeln. Dazu werden wir die Aufgaben zur Einwanderungsgesellschaft aus dem Innenministerium herauslösen. Für mehr Repräsentanz und Teilhabe werden wir ein Bundespartizipations- und Teilhabegesetz vorlegen und das Bundesgremienbesetzungsgesetz reformieren. Staatliches Handeln soll auf unsere vielfältige Gesellschaft ausgerichtet sein und Gleichberechtigung sicherstellen. Wer hier dauerhaft seinen Lebensmittelpunkt hat, muss die Möglichkeit haben, an Wahlen, Abstimmungen und allen anderen demokratischen Prozessen gleichberechtigt teilzunehmen, in einem ersten Schritt wollen wir das kommunale Wahlrecht für Drittstaatsangehörige einführen.


Konsequent gegen Rassismus

Rassismus ist Realität im Alltag, auf der Straße, im Netz, in Institutionen. Er betrifft nicht alle von uns gleichermaßen, aber er geht uns alle gleichermaßen an. Der Kampf gegen Rassismus und seine unterschiedlichen Formen, wie zum Beispiel anti-Schwarzer und anti- asiatischer Rassismus, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe mit dem Ziel der Stärkung der individuellen Rechte aller Menschen. Rassismus und alle Formen von Diskriminierungen stellen nicht nur eine große Gefahr für die betroffenen Menschen dar, sondern bedrohen auch das gleichberechtigte und friedliche Zusammenleben sowie die Sicherheit in Deutschland. Wir wollen den Schutz vor und die Beseitigung von Diskriminierungen, strukturellem und institutionellem Rassismus mit einem staatlichen Gewährleistungsanspruch in der Verfassung verankern, ergänzend zur überfälligen Ersetzung des Begriffs „Rasse“. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) soll zur obersten Bundesbehörde aufgewertet werden – mit mehr Personal, Budget und Kompe-
tenzen. Ihre Leitung soll als Antidiskriminierungsbeauftragte*r vom Deutschen Bundestag gewählt werden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz wollen wir zu einem echten Bundesantidiskriminierungsgesetz weiterentwickeln, das Schutzlücken endlich schließt, Klagen gegen Diskriminierung für Betroffene vereinfacht und ein umfassendes Verbandsklagerecht einschließt, damit gegen Diskriminierung strukturell und nachhaltig vorgegangen werden kann. Das Netz zivilgesellschaftlicher Beratungsstellen soll flächendeckend ausgebaut und so finanziert werden, dass diese planungssicher und kontinuierlich ihrer Aufgabe nachkommen können. In den staatlichen Institutionen sollen Anlauf- und Beschwerdestellen geschaffen werden. Das Empowerment von Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, wollen wir fördern. Die Black-Lives-Matter-Proteste haben deutlich gemacht, dass Rassismus gegen Schwarze Menschen auch in Deutschland umfassend bekämpft werden muss. Deshalb wollen wir die UN-Dekade für
Menschen afrikanischer Herkunft vorantreiben. Straftaten gegen Schwarze Menschen sollen in Verfassungsschutzberichten explizit ausgewiesen werden. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass anti-asiatischer Rassismus im Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus benannt wird. Wir werden die unabhängige Forschung zu Postkolonialismus, Diskriminierung und Rassismus ausbauen, regelmäßig Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten erheben und wissenschaftliche Studien in Bezug auf staatliche Institutionen und Wirksamkeit von Antidiskriminierungsmaßnahmen durchführen. Antirassismus, Antidiskriminierung und Postkolonialismus wollen wir in der Lehrer*innenausbildung und in den Lehrplänen verankern.


Stärkung und Sicherheit für Jüdinnen und Juden in Deutschland

Jüdisches Leben in seiner Vielfalt in Deutschland werden wir konsequent fördern und sichtbar machen. Wir unterstützen Projekte und Initiativen, die sowohl jüdisch-säkulares als auch jüdisch-religiöses Leben, jüdische Kultur und jüdische Bildung stärken. Wir wollen politische und kulturelle Bildungsangebote für alle Bürger*innen zugänglich machen, um Wissen über das jüdische Leben allgemein sowie Kontakte und Erfahrungen mit jüdischen Menschen und Einrichtungen in Deutschland zu vermitteln. Jüdische Menschen in Deutschland müssen sich sicher fühlen können. Ihre Sicherheit und der Schutz jüdischer Einrichtungen und Gemeinden muss umfassend sein. Antisemitische Anschläge in der Gegenwart, allen voran der Anschlag von Halle im Jahr 2019, erinnern uns daran, wie stark weiterhin Judenfeindlichkeit und Judenhass sowie Unwissenheit über die Realität jüdischen Lebens in Deutschland verbreitet sind. Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, Antisemitismus, antisemitischen Hassreden – auch im Alltag und egal aus welchen Motiven – mit aller Entschlossenheit entgegenzutreten. Dafür braucht es bessere Analysekapazitäten und eine entschlossene Ahndung und Dokumentation antisemitischer Vorfälle. Antisemitische Narrative, israelbezogener Antisemitismus und verschwörungsideologische Erzählungen – auch im Zusammenhang mit Demonstrationen von Pandemieleugner*innen – müssen an unterschiedlichsten Orten präventiv adressiert werden, auch und gerade im digitalen Raum. Dafür bedarf es konkreter Sensibilisierungs- und Präventionsprojekte in Vereinen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, für die wir eine Regelfinanzierung wollen. Die Prävention von und Auseinandersetzung mit Antisemitismus soll auch abseits des Geschichtsunterrichts als Leitperspektive in den Lehrplänen verankert werden. Fortbildungen, allen voran der Mitarbeiter*innen von Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sowie der Gerichte, wollen wir gezielt ausbauen. Es braucht Leitlinien für einen effektiven Schutz jüdischer Einrichtungen, bei deren Entwicklung die jüdischen Gemeinden einbezogen werden müssen. Wir wollen die soziale Absicherung der älteren jüdischen Generation in Deutschland stärken, meist Holocaustüberlebende und ihre Nachkommen, viele aus der ehemaligen Sowjetunion. Sie müssen bei der Rente mit den eingewanderten (Spät-)Aussiedler*innen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion gleichgestellt werden.


Muslim*innen schützen und stärken

Muslimisches Leben in seiner ganzen Vielfalt gehört in Deutschland zu unserer gesellschaftlichen Realität. Gleichzeitig sind Muslim*innen besonders von struktureller Diskriminierung sowie von gewalttätigen Übergriffen betroffen. Die fortdauernden Bedrohungen muslimischer Einrichtungen zeigen, wie dringend nötig Präventionsprogramme sowie umfassende Schutzkonzepte für als muslimisch gelesene Personen und Räume sind. Opfer müssen geschützt, beraten und gestärkt, die Ursachen verstärkt in den Blick genommen werden. Der Staat darf keine Religion diskriminieren oder ungerechtfertigt bevorzugen. Die heterogene und von Muslim*innen als Stärke wahrgenommene Struktur des Islams, die weder eine religiös noch strukturell verankerte Hierarchie kennt, darf ihnen von Seiten des Gesetzgebers deshalb nicht zum Nachteil gereichen. Tatsächliche Gleichstellung setzt rechtliche Gleichstellung voraus. Wir unterstützen daher Staatsverträge mit islamischen Religionsgemeinschaften, die in keiner strukturellen Abhängigkeit zu einem Staat, einer Partei oder politischen Bewegung und dessen oder deren jeweiliger Regierungspolitik stehen und sich religiös selbst bestimmen. Wir wollen auch progressive, liberale muslimische Vertretungen einbinden, die für Werte wie Gleichberechtigung der Geschlechter, LSBTIQ*-Rechte und Feminismus einstehen und einen lebendigen Glauben innerhalb des islamischen Religionsspektrums praktizieren. Auch zeigen wir uns solidarisch mit Kritiker*innen von fundamentalistisch-politischen Kräften, wenn sie massiv bedroht werden. Für die eigenständige und selbstbewusste Religionsausübung von Muslim*innen ist eine Imam*innen-Ausbildung in Deutschland dringend notwendig. Dafür wollen wir islamisch-theologische und praxisorientierte Aus- und Weiterbildungsprogramme für Imam*innen und islamische Religionsbedienstete in Kooperation mit den Instituten für islamische Theologie bundesweit etablieren und unterstützen. Langfristig geht es darum, den Bedarf der muslimischen Gemeinden an religiösem Personal durch in Deutschland ausgebildete Personen zu decken.


Antiziganismus entschlossen bekämpfen

Immer noch werden Menschen mit Romani-Hintergrund in Europa und Deutschland aufgrund eines tiefsitzenden Rassismus diskriminiert, der bis in die Mitte der Gesellschaft reicht. Immer noch werden Angehörige der größten Minderheit in der Europäischen Union beim Zugang zu Bildung, Gesundheit, Wohnen und Arbeit benachteiligt. Wir wollen deshalb die neue EU-Roma- Rahmenstrategie (Post-2020) umsetzen und die ambitionierten Inklusionsziele der EU erreichen. Dafür braucht es eine mit ausreichend finanziellen Mitteln und Befugnissen ausgestattete „Nationale Koordinierungsstelle“, die die Umsetzung und das Monitoring der deutschen Strategie in Abstimmung mit den Bundesländern, Verwaltungen und Selbstorganisationen übernimmt. Minderheitenrechte wie der Erhalt von Sprache, der Geschichte und Kulturen von Sinti*zze und Rom*nja müssen gewährleistet werden. Wir wollen eine unabhängige, zivilgesellschaftliche Monitoring- und Informationsstelle zur Dokumentation und Aufarbeitung rassistischer Vorfälle und zur Unterstützung der Betroffenen einrichten sowie die Empfehlungen der unabhängigen Expertenkommission Antiziganismus prüfen und umsetzen. Wir werden die Einrichtung eines Studierendenwerks für Sinti*zze und Rom*nja vorantreiben und setzen uns für ein Museum der Geschichte und Kulturen der Sinti*zze und Rom*nja in Deutschland ein. Noch immer werden Rom*nja aus Deutschland abgeschoben, selbst wenn sie seit Jahrzehnten hier leben und in ihren Herkunftsländern Diskriminierung erleiden. Deshalb soll die Situation von Rom*nja in ihren Herkunftsländern in Asylverfahren und bei der Prüfung asylunabhängiger Bleiberechte stärkere Berücksichtigung finden.


Für eine inklusive und barrierefreie Gesellschaft

Wir treten für eine inklusive Gesellschaft gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention ein, in der Menschen mit Behinderung ihre Fähigkeiten und Talente selbst einbringen können. Stufen, zu enge Türen oder schwer lesbare Webseiten – in unserem Alltag gibt es viele unterschiedliche Dinge, die für Menschen mit Behinderung, aber auch für ältere Menschen, Eltern mit Kinderwagen oder Verletzte mit Gipsbein eine Barriere darstellen. Es ist mühsam, manchmal unmöglich, Angebote zu nutzen, die für andere selbstverständlich sind. Wir wollen Barrierefreiheit schaffen, damit Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen, auch psychischen Erkrankungen, gleichberechtigt am öffentlichen Leben teilhaben und selbstbestimmt, gemeinsam mit nichtbehinderten Menschen leben, lernen und arbeiten können. Das wollen wir mit einem „Barrierefreiheits-Gesetz“ erreichen, das private wie öffentliche Anbieter*innen öffentlich zugänglicher Angebote und Dienstleistungen zu umfassender Barrierefreiheit und den Bund innerhalb von zehn Jahren zur Herstellung der Barrierefreiheit seiner Gebäude verpflichtet. Kleine Unternehmen werden durch eine Überforderungsklausel geschützt, aber zu angemessenen Vorkehrungen verpflichtet. Durch eine Erhöhung der Bundesförderung soll der Anteil barrierefreier Wohnungen deutlich erhöht werden. Um selbstbestimmte Mobilität und selbstbestimmtes Wohnen zu ermöglichen, wollen wir außerdem die Städtebauförderung für inklusive Stadtquartiere stärken und die soziale Wohnraumförderung an Barrierefreiheit binden. Im ÖPNV, den alle Menschen mit Schwerbehinderung kostenfrei nutzen sollen können, in öffentlichen Einrichtungen, Ladengeschäften, Gewerbe- und Bürogebäuden soll Barrierefreiheit zum Standard werden. Die Verbrechen der deutschen Geschichte gegenüber Menschen mit Behinderung wollen wir weiter aufarbeiten und die Opfer angemessen entschädigen.

 

Verhältnis Staat und Kirchen weiterentwickeln

Die christlichen Kirchen und Gemeinden sind wichtige Akteur*innen der Zivilgesellschaft. Sie verleihen unserer Ge-sellschaft vielfältige Impulse und leisten einen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Für die Arbeit mit Pflegebedürftigen, Menschen mit Behinderungen und Kindern sind auch die kirchlichen Träger von großer Bedeutung. Ihre tatkräftige Unterstützung, wenn es um Seenotrettung und die Integration von Geflüchteten geht, ist ein wichtiger gesellschaftlicher Beitrag. Das Grundrecht auf Religions-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit wollen wir, auch weltweit, weiter stärken und religiös oder weltanschaulich Verfolgte schützen. Wir wahren das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften, suchen die Kooperation und den Dialog mit allen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die das Grundgesetz achten, und stehen dabei stets zum säkularen Staat und seinem Neutralitätsprinzip. Auch Konfessionsfreie haben einen Anspruch auf umfassende Berücksichtigung ihrer Belange und auf gleichberechtigte Teilhabe. Die gewachsene Beziehung zwischen Staat und den christlichen Kirchen wollen wir erhalten und wo nötig der gesellschaftlichen Realität anpassen. So wollen wir, dass beispielsweise das kirchliche Arbeitsrecht reformiert und die gewerkschaftliche Mitbestimmung gefördert wird sowie die Ausnahmeklauseln für die Kirchen im Betriebsverfassungsgesetz und im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aufgehoben werden. Der religiöse Verkündigungsbereich bleibt hiervon unberührt. Die vielen Gläubigen, die sich für eine notwendige Modernisierung der christlichen Kirchen einsetzen und auf eine lückenlose Aufklärung der Fälle sexualisierter Gewalt dringen, unterstützen wir. Die Vollendung des Verfassungsauftrags zur Ablösung der Staatsleistungen werden wir umsetzen. Den § 166 des Strafgesetzbuchs („Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“) wollen wir streichen sowie uns für eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung zur Erforschung der religiösen und weltanschaulichen Landschaft einsetzen.

Wir erneuern das demokratische Fundament
Für eine transparentere Politik

Demokratie lebt vom Vertrauen der Bürger*innen, jeder Anschein käuflicher Politik richtet Schaden an. Wir wollen das Vertrauen in demokratische Institutionen und Mandatsträger*innen stärken und das Primat der Politik gegenüber intransparenter Einflussnahme schützen. Wir sind überzeugt: Transparente und nachvollziehbare Politik stärkt das Gemeinwohl. Deshalb wollen wir Lobbyismus transparenter und den Einfluss organisierter Interessensgruppen und von Lobbyist*innen sichtbar machen. Das Lobbyregister wollen wir für Bundesregierung, Bundesministerien und Bundestag nachschärfen und die vielen Ausnahmen für maßgebliche Akteur*innen abschaffen. Mit dem legislativen Fußabdruck schaffen wir Klarheit, wer bei der Entstehung von Gesetzen Einfluss nimmt. Interessenskonflikte wollen wir stärker in den Blick nehmen und den Wechsel aus Regierungsämtern in die Wirtschaft während einer Karenzzeit von zwei Jahren prüfen lassen. Für Abgeordnete ist das freie Mandat der Mittelpunkt ihrer Tätigkeit. In Zukunft werden Einkünfte aus Nebentätigkeiten auf Euro und Cent veröffentlicht, für Unternehmensbeteiligungen und Aktienoptionen gibt es striktere Regeln und Spenden an Abgeordnete und die Lobbytätigkeit für Abgeordnete werden verboten. Die Anwendung dieser Maßnahmen soll evaluiert werden. Für Nebenverdienste von Abgeordneten wollen wir zudem eine verpflichtende Angabe der Branche. Unabhängige Kontrolle stärkt die Transparenz und Integrität. Zur wirkungsvollen Bekämpfung von Korruptionsfällen braucht es eine Neufassung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung und eine Überarbeitung der Beweisanforderungen. Spenden an Parteien müssen transparenter gemacht werden. Deshalb wollen wir striktere Veröffentlichungsregeln. Parteispenden sollen auf natürliche Perso-
nen beschränkt und auf einen jährlichen Höchstbetrag von 100.000 Euro je Spender*in gedeckelt werden. Schon ab 5.000 Euro sollen Spenden im Rechenschaftsbericht genannt werden, ab 25.000 Euro soll die Pflicht zur sofortigen Veröffentlichung greifen. Solange es keine gesetzliche Regelung gibt, wenden wir die über das Parteiengesetz hinausgehenden Regelungen unseres Spendenkodex an. Für das Parteiensponsoring wollen wir endlich eine gesetzliche Regelung und eine Veröffentlichung ab dem ersten Euro und eine jährliche Höchstgrenze je Sponsor*in einführen. Das Parteiengesetz und die unabhängige Kontrolle werden wir stärken, damit verdeckte Wahlkampffinanzierung besser bekämpft werden kann. Politische Werbung und Kampagnen im Netz müssen transparenter werden – solange es keine verpflichtenden Regulierungen gibt, gehen wir mit unserer Selbstverpflichtung voran.


Parlament stärken, Wahlrecht reformieren

Der Bundestag ist der zentrale Ort für öffentliche Debatten, Rede und Gegenrede und Entscheidungen unserer Demokratie. Für gute Gesetzgebung braucht es ausreichende Beratung und eine Stärkung der Kontrollrechte des Parlaments. Wir wollen die Rolle des Bundestages bei der Gesetzgebung ausbauen. Seine Arbeitsfähigkeit ist zu garantieren und zu stärken. Deshalb setzen wir uns für eine Wahlrechtsreform ein, die das Parlament deutlich verkleinert, unter anderem durch die Reduzierung von Wahlkreisen, die außerdem fair und verfassungsgemäß ist, und bei der jede Stimme gleich viel wert ist. Im Rahmen dieser Reform sollten unter anderem die Verlängerung der Legislaturperiode und die Amtszeitbegrenzung für das Amt der Bundeskanzlerin oder des Bundeskanzlers geprüft werden. Die Sitzungen der Fachausschüsse sollen in der Regel öffentlich stattfinden und gestreamt werden. Die Abgeordneten sollen in ihren Kontrollrechten gegenüber der Regierung mit einem Akteneinsichtsrecht gestärkt werden. Komplexe Gesetzgebungsverfahren wollen wir verständlicher machen, indem Textgegenüberstellungen der Gesetzesänderungen öffentlich gemacht werden.


Macht fair teilen, auch in den Parlamenten

Es ist höchste Zeit für eine faire Verteilung von Macht. Unsere repräsentative Demokratie muss diverser werden, unsere Parlamente brauchen die Vielfalt der Herkunft und Lebenswege, die Debatten brauchen die Perspektiven, die daraus entstehen. Wir werden Hürden abbauen damit auch queere Menschen, Nicht-Akademiker*innen, Menschen mit Behinderung und Menschen mit Migrationsgeschichte gleichberechtigt und selbstverständlich vertreten sind. Macht fair teilen heißt auch, dass es dringend mehr Frauen in den Parlamenten und Kommunalvertretungen braucht, denn sie stellen 51 Prozent der Wahlberechtigten. Gleichberechtigung von Frauen ist ein historischer und verfassungsrechtlicher Auftrag für uns alle und soll sich bereits bei den Nominierungsverfahren niederschlagen. Dass Parität per Gesetz wirksam und angemessen ist, zeigen Beispiele aus dem europäischen Ausland. Dass verfassungsrechtlich hohe Hürden bestehen, haben Urteile von Verfassungsgerichten aus zwei Bundesländern aufgezeigt. Diese Hürden
gilt es abzubauen, um rechtlich gute Lösungen zu finden. Wir setzen uns daher auch im Bund für ein Paritätsgesetz ein und werden entsprechende Gesetzesänderungen auf den Weg bringen. Um Frauen das politische Engagement zu erleichtern, braucht es auch Maßnahmen und Angebote, die Frauen den Einstieg in und die Gestaltung von Politik
erleichtern.


Jugendwahlrecht

Demokratie lebt von der Gestaltung und dem Engagement aller Bürger*innen, vom Kindes- bis ins hohe Alter. Viele politische Entscheidungen von heute sind entscheidend für die Zukunft junger Menschen, und viele junge Menschen übernehmen früh Verantwortung für die Gesellschaft. Wenn Jugendliche in ihrem Lebensalltag demokratische Erfahrungen machen und ihre Rechte wahrnehmen können, stärkt das die Demokratie und macht sie zukunftssicherer. Um möglichst breite Bündnisse für eine verfassungsändernde Wahlalterabsenkung schmieden zu können, wollen wir das Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen in der kommenden Legislaturperiode auf 16 Jahre absenken. Auf Basis einer Evaluation des Wahlalters 16 wollen wir das Wahlalter ggf. weiter absenken.


Bürger*innenräte für mehr Beteiligung

Direkte Beteiligungsmöglichkeiten bereichern die Demokratie und stärken die Repräsentanz. Mit Bürger*innenräten schaffen wir die Möglichkeit, bei ausgewählten Themen die Alltagserfahrung von Bürger*innen in die Gesetzgebung einfließen zu lassen. Wir sorgen in einem ersten Schritt dafür, dass es eine gesetzliche Grundlage für Bürger*innenräte gibt und sich das Parlament mit den Ergebnissen beschäftigen muss. In der kommenden Wahlperiode wollen wir weitere Optionen für eine stärkere Institutionalisierung von Bürger*innenräten prüfen, unter anderem direktdemokratische Verfahren zu einzelnen Beratungsergebnissen. Auf Initiative der Regierung, des Parlaments oder eines Bürger*innenbegehrens beraten zufällig ausgewählte Menschen, die in Deutschland leben und mindestens 16 Jahre alt sein müssen, in einem festgelegten Zeitraum über eine konkrete Fragestellung. Sie erarbeiten Handlungsempfehlungen und geben Impulse für die öffentliche Auseinandersetzung und die parlamentarische Entscheidung. Eine freie, gleiche und faire Beratung muss sichergestellt werden, unter anderem durch zivilgesellschaftliche und wissenschaftliche Beratung. Außerdem werden wir ein digitales Portal, wie es zum Beispiel in Baden-Württemberg schon erfolgreich angewendet wird, für die aktive Beteiligung an der Gesetzgebung einführen und das Petitionsrecht zu einem leicht zugänglichen Instrument für bessere Mitwirkung am demokratischen Prozess ausbauen. Wir wollen Beteiligung fördern und politische Bildung als wichtige Querschnittsaufgabe auch auf kommunaler Ebene voranbringen.


Öffentlich-rechtlicher Rundfunk für alle und eine vielfältige Medienlandschaft

Kritischer und unabhängiger Journalismus ist eine Säule unserer Demokratie. Wir stehen zu einem pluralistischen, kritischen und staatsfernen öffentlich-rechtlichen Rundfunk für alle, genauso wie für Qualität und Vielfalt der privaten und Non-Profit-Medienlandschaft. Damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk stark und zukunftsfest aufgestellt ist, arbeiten wir für eine funktionsgerechte Finanzierung, die einem definierten Programmauftrag folgt. Weil er von allen finanziert wird, muss er auch alle erreichen. Aus seiner besonderen Stellung und dem Anspruch, die Vielfalt der Lebenswelten, Meinungen und Interessen der Bevölkerung abzubilden, ergibt sich auch sein Reformbedarf. Die Digitalisierung des öffentlich- rechtlichen Rundfunks muss vorangetrieben und seine bisherigen Angebote müssen überprüft werden. Hierfür wollen wir gemeinsam mit den Ländern eine Initiative auf den Weg bringen und eine gesellschaftliche Debatte anstoßen. Wir setzen uns für Rundfunkräte ein, die die Vielfalt unserer heutigen Gesellschaft besser abbilden, durchsetzungsstärker sowie sender- und staatsferner werden. Die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen sollen bei angemessener Vergütung der Urheber*innen dauerhaft zugänglich und europäisch verzahnt werden. Lokale Medien brauchen eine mit den Ländern abgestimmte, staatsfern organisierte Förderung. Qualitätsjournalismus braucht deutlich bessere Rahmenbedingungen, etwa durch Verbesserungen bei Quellenschutz und Auskunftsansprüchen oder die Öffnung der Künstlersozialkasse für Journalist*innen samt Beitragspflicht für Medienplattformen. Gemeinnütziger Journalismus braucht Rechtssicherheit.


Hasskriminalität im Netz bekämpfen

Digitale Plattformen und Anwendungen müssen den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Uns geht es darum, Nutzerrechte und demokratischen Diskurs zu stärken und dabei die Balance zwischen Persönlichkeitsschutz und Meinungsfreiheit zu wahren. Wir wollen Hasskriminalität im Netz und das bewusste Verbreiten von Falschinformationen wirksamer bekämpfen. Dafür wollen wir einen effektiven Gesetzesrahmen entwickeln. Betroffene müssen sich schnell und effektiv gegen Angriffe im Netz wehren können. Das wollen wir durch die ambitionierte Ausgestaltung und dann zügige Umsetzung des Digital Services Act der EU erreichen. Wir treten für einen effektiven Umgang mit Nutzerbeschwerden, eine Verbesserung der Strafverfolgung und der zivilrechtlichen Durchsetzung ein. Dafür brau-
chen wir personell wie technisch bestmöglich aufgestellte Strafverfolgungsbehörden. Diese müssen, gut geschult, auf Grundlage klarer Rechtsvorgaben arbeiten können. Plattformbetreiber*innen müssen ihrer großen Verantwortung europaweit gerecht werden. Sie dürfen bestehende Rechte nicht aushöhlen, sind für Inhalte haftbar und müssen beim Moderieren von Inhalten die Grundrechte wahren. Bei Entscheidungen darüber, welche Inhalte auf digitalen Plattformen keinen Platz haben dürfen, könnte der gezielte Einsatz von repräsentativen, zivilgesellschaftlichen Plattformräten eine Möglichkeit sein. Große Anbieter*innen sollen sich durch eine Abgabe an den unabhängigen Beratungsangeboten für Betroffene von Hass und Hetze beteiligen. Dies wollen wir bündeln in einem Gesetz für digitalen Gewaltschutz, das die Möglichkeit beinhaltet, gegen Accounts vorzugehen, wenn kein*e Täter*in festgestellt wird. Jeder Mensch hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten. Für Porno-Plattformen, die nutzergenerierte Inhalte hosten, müssen besondere Sorgfaltspflichten gelten, um Menschen zu schützen, deren Bildmaterial gegen ihren Willen dort gezeigt wird. Für den Umgang mit Desinformation, aber auch für die Rechtskontrolle der Anbieter*innen insgesamt wollen wir die Aufsicht national wie auch europäisch besser strukturieren, unter anderem mit einer gemeinsamen Medienanstalt der Länder. Eine Verpflichtung zum Einsatz von Uploadfiltern lehnen wir ab.


Software für die Allgemeinheit

Unser Alltag wird immer häufiger von Teilhabe an und Zugang zu Software geprägt. Freie und offene Software bildet dabei die Grundlage unzähliger Anwendungen, seien es digitale Lernplattformen, sichere Anwendungen für die Heimarbeit, Stärkung der IT-Sicherheit mit guter Verschlüsselung oder sichere und einfache Abstimmungsmöglichkeiten in der Vereins- und Parteiarbeit. Sie spielt in immer mehr gesellschaftlich relevanten Bereichen eine entscheidende Rolle und ist Grundlage für unsere Anforderungen in Bezug auf Offenheit, Teilhabe und Sicherheit. Doch oftmals fehlt es den Entwickler*innen an Unterstützung, diese dauerhaft auf dem neuesten Stand der Technik zu halten und anwendungsfreundlich, barrierefrei und inklusiv zu gestalten. Wir treten daher dafür ein, eine eigenständige öffentliche Förderstiftung zu schaffen, die gesellschaftlich relevante, freie und offene Software fördert, deren Ergebnisse Gesellschaft, Wissenschaft, Schulen, Wirtschaft und Verwaltung zur Verfügung stehen und barrierefrei zugänglich sind. Durchgehende Ende-zu-Ende- Verschlüsselungen schützen Grundrechte, schaffen Vertrauen in digitale Anwendungen und müssen zum Standard bei allen staatlichen IT-Vorhaben werden.

 

Demokratiefördergesetz für eine starke Zivilgesellschaft

Eine lebendige Zivilgesellschaft ist elementar für die politische Auseinandersetzung in unserer Demokratie. Engagierte Menschen in Initiativen, Verbänden, Vereinen oder NGOs stärken den Zusammenhalt, tragen dazu bei, wichtige Anliegen, wie beispielsweise den Kampf gegen Rassismus, auf die öffentliche Tagesordnung zu setzen, und leisten ihren Beitrag zur Willensbildung. Wir machen uns dafür stark, dass sie ihrer Arbeit in Zukunft gut abgesichert, ohne Einschüchterung und Kriminalisierung nachgehen können. Mit einem Demokratiefördergesetz wollen wir ihr Engagement und das demokratiebelebender Initiativen und Organisationen nachhaltig, projektunabhängig und unbürokratisch finanziell absichern. Die Arbeit der politischen Stiftungen wollen wir verbindlicher regeln. Wir wollen sicherstellen, dass sie an den Werten des Grundgesetzes orientiert sind und – auch in ihrem Verhältnis zu den Parteien – Transparenz herstellen. Dafür schaffen wir eine eigenständige gesetzliche Grundlage.


Gemeinnützigkeit reformieren

Alle Bürger*innen sollen gleichberechtigt an der Willensbildung unserer Gesellschaft teilhaben können. Die Gemeinnützigkeit ist dafür ein wichtiger Status, der an vielen Stellen überhaupt erst Zugänge öffnet. Damit Initiativen und Verbände eigenständig bleiben, sorgen wir deshalb für Klarheit und Rechtssicherheit im Gemeinnützigkeitsrecht. Ihre gemeinnützigen Ziele sollen sie auch durch politische Meinungsäußerungen und Aktivitäten wie Studien und Demonstrationen verwirklichen dürfen. Nicht nur die Förderung des demokratischen Staatswesens, sondern auch die Förderung tragender Grundsätze sollte klar gemeinnützig sein. Die Gemeinnützigkeit zusätzlicher Zwecke wie des Friedens, der Durchsetzung der nationalen und internationalen Grund- und Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit, der Durchsetzung des Sozialstaatsgebotes und allgemein der gleichberechtigten Teilhabe und der Bekämpfung von Diskriminierung wollen wir anerkennen und stärken. Mit der Einführung einer Demokratieklausel stellen wir sicher, dass sich Vereine aktiv an gesellschaftlichen Debatten beteiligen können. Die Beweislastumkehr in § 51 Absatz 3 Abgabenordnung wollen wir abschaffen. Für mehr Transparenz sorgen wir mit einem Gemeinnützigkeitsregister und einfach handhabbaren Transparenzpflichten sowie mit Regeln zur Offenlegung der Spendenstruktur.


Engagement und Ehrenamt als Säule der Gesellschaft

Engagement und Ehrenamt stützen unsere Gesellschaft auf vielfältige Weise. Die Aufgabe des Staates ist es, Engagement und Ehrenamt zu ermöglichen, zu fördern und zu stärken. Dazu gehören zunehmend auch digitale Formen des Ehrenamtes, denn sie ermöglichen Vernetzung bei weiten Entfernungen oder wenn dem physischen Engagement anderes im Wege steht. Dafür wollen wir die bürokratischen Hürden für Engagement ab- und Bildungsangebote für Engagierte ausbauen sowie die Förderpolitik neu aufstellen. Die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt wollen wir zu einer echten Förderstiftung weiterentwickeln, die lokal und dezentral Organisationen unterstützt. Zusammen mit Ländern und Kommunen wollen wir eine Engagementkarte einführen, um den Besuch von Schwimmbädern und Kultureinrichtungen oder die Nutzung von ÖPNV zu vergünstigen. Die Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale wollen wir sukzessive angleichen.


Freiwilligendienste ausbauen und für alle ermöglichen

Freiwilligendienste stärken den Zusammenhalt und fördern die aktive Teilhabe an unserer Gesellschaft. Jeder Mensch, der das möchte, soll garantiert einen Freiwilligendienst in Deutschland oder Europa machen können. Wir wollen die Jugendfreiwilligendienste (wie das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr) und den Bundesfreiwilligendienst auf 200.000 Plätze jährlich verdoppeln. Die Freiwilligendienste sollen besser ausfinanziert werden, damit sich junge Menschen unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern engagieren können. Dafür wollen wir die Taschengeldsätze auf ein einheitliches Niveau anheben und kostenlose ÖPNV-Tickets ermöglichen. Die Rahmenbedingungen sollen inklusiver werden, damit jede*r, egal ob jung oder alt, ob zu Beginn, in einer Orientierungsphase oder nach Beendigung des Berufslebens, einen passenden Freiwilligendienstplatz für sich findet.

Wir gestalten die vielfältige Einwanderungsgesellschaft
Einbürgerung erleichtern

Die Staatsangehörigkeit stellt ein dauerhaftes Band rechtlicher Gleichheit, Teilhabe und Zugehörigkeit sicher. Wer in Deutschland geboren wird, soll die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, wenn ein Elternteil rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Die Staatsangehörigkeit darf, auch als Lehre aus dem nationalsozialistischen Unrecht, nicht entzogen werden. Für Menschen, die hier jahrelang leben und Teil dieser Gesellschaft geworden sind, sollen Einbürgerungen früher möglich werden. Nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland sollen alle einen Antrag auf Einbürgerung stellen können, auch für anerkannte Geflüchtete gilt ein beschleunigtes und vereinfachtes Einbürgerungsverfahren. Den Optionszwang im Staatsangehörigkeitsrecht wollen wir abschaffen und Mehrstaatigkeit anerkennen. Die vorgenommenen Aushöhlungen des Staatsangehörigkeitsrechts wollen wir zurücknehmen und die Einbürgerungsverfahren entbürokratisieren. Hindernisse bei der Identitätsklärung, die nicht in der Hand der Einzubürgernden liegen, dürfen ihnen nicht angelastet werden. Für binationale Familien und Paare, egal ob mit oder ohne Trauschein, wollen wir die Einreise unbürokratisch und fair gestalten. Um sich in Deutschland ein Leben aufzubauen, braucht es langfristige Perspektiven.


Ein modernes Einwanderungsgesetz für eine vielfältige Einwanderungsgesellschaft

Deutschland ist ein Einwanderungsland, doch bis heute fehlen eine aktive Einwanderungspolitik und ein Einwanderungsrecht, das Einwanderung tatsächlich fördert und nicht komplizierter macht. Wir wollen ein modernes Einwanderungsgesetz beschließen, das neue Zugangswege für Bildungs- und Arbeitsmigration schafft – auch für Menschen, die ihre Talente und Fähigkeiten nicht durch formale oder anerkannte Bildungsabschlüsse nachweisen können –, das transparente, unbürokratische und faire Verfahren bietet, das globale und regionale Notwendigkeiten berücksichtigt . Dafür soll auf Basis des jährlichen Arbeitskräftebedarfs eine punktebasierte Talentkarte eingeführt werden. Wir erleichtern die Bildungsmigration über Stipendien und Ausbildungsvisa, genauso wie die Voraussetzungen für eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen. Außerdem beenden wir den automatischen Verlust der Aufenthaltserlaubnis nach einem sechsmonatigen Aufenthalt im Ausland. Für Menschen, die sich ohne sicheren Aufenthaltstitel in Deutschland befinden, jedoch in den Arbeitsmarkt integriert sind oder deren Qualifizierung in den Arbeitskräftebedarf passt, soll es die Möglichkeit zum echten Spurwechsel geben. Gut funktionierende Konzepte der Arbeitsmigration, wie die Westbalkanregelung, bauen wir aus und verstetigen sie.


Integration gelingt nur mittendrin – Sprache, Zugang, Teilhabe von Anfang an

Ankommen ist in einer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft ein wechselseitiger Prozess mit dem Ziel, gleiche Zugänge und Teilhabechancen in allen Bereichen des Lebens zu schaffen. Er stellt sowohl Anforderungen an die, die zu uns kommen, als auch an alle, die schon länger hier leben, und gelingt nur, wenn alle zusammenkommen und einen gemeinsamen Weg einschlagen. Für das Zusammenleben sind die Werte des Grundgesetzes die Grundlage. Der Zugang zu und die Teilnahme an Sprachkursen ist essentiell, deshalb treten wir dafür ein, dass alle neu ankommenden Migrant*innen und Geflüchteten von Anfang an ein Recht auf einen kostenfreien Zugang zu passgenauen, gut erreichbaren und bundesfinanzierten Sprach- und Integrationskursen haben. Besonders wollen wir die Zugänglichkeit der Kurse für Frauen sicherstellen und auch Angebote für Menschen mit Lernschwierigkeiten aufbauen. Denn derzeit ist das für viele Personen, etwa Familiennachzügler oder EU-Bürger*innen, nur schwer und kostenpflichtig möglich. Zudem wollen wir die nach 2015 ausgebauten Angebote an weiterführenden Sprachkursen aufrechterhalten. Genauso wichtig für eine gelingende Integration sind eine dezentrale Unterbringung und ein selbstbestimmtes Leben in eigenen Wohnungen, ein breites Beratungsangebot gerade auch für Familien sowie der unterschiedslose Zugang zu Gesundheits- und Sozialleistungen sowie zu Kitas, Bildungseinrichtungen, Ausbildung und Arbeit, also die Teilhabe am kulturellen und gesellschaftlichen Leben. So stärkt gezielte Unterstützung den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir wollen auf europäischer Ebene einen kommunalen Integrationsfonds auflegen, um EU-weit das Ankommen in den Kommunen direkt zu unterstützen. Damit sollen unter anderem Migrationsberatungsstellen gestärkt
und aufgebaut, Dolmetschleistungen im Gemeinwesen finanziert, zivilgesellschaftliche Unterstützungsstrukturen gefördert und strukturelle Entlastungen der Kommunen, die sich zur Aufnahme von Geflüchteten bereit erklären, in der EU gesichert werden. Betriebe, die Geflüchteten eine Chance auf Ausbildung oder Beschäftigung geben, brauchen entsprechende Unterstützung und Förderung. Für anerkannte Flüchtlinge wollen wir die Hürden für die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union absenken.

 

Asylverfahren fair und transparent

Wir wollen, dass Asylverfahren in Deutschland rechtssicher, fair und transparent gestaltet sind und eine Entscheidung in angemessener Zeit erfolgt. Dafür muss die Identifizierung besonderer Schutzbedarfe vor der Anhörung erfolgen. Insbesondere die Berücksichtigung erlittener geschlechtsspezifischer Verfolgung und die dazugehörige Beratung im Asylverfahren sind zu gewährleisten. Wir wollen dafür sorgen, dass es zügig zu einer Entscheidung über den Aufenthaltstitel kommt, damit Menschen früh verbindliche Gewissheit haben. Dazu gehören eine ausreichende personelle Ausstattung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie ein funktionierendes Qualitätsmanagement. Eine nichtstaatliche unabhängige Asylverfahrensberatung für alle Asylsuchenden, von der Ankunft bis
zum Abschluss des Asylverfahrens, wollen wir sicherstellen und die auf mögliche 18 Monate verlängerte Verweildauer von Geflüchteten in den Erstaufnahmeeinrichtungen rückgängig machen auf maximal drei Monate. AnkER-Zentren in ihrer jetzigen Form lehnen wir ab. Danach sollte das dezentrale Wohnen immer Vorrang haben. Wir wollen das Recht von Kindern, unabhängig von der Bleibeperspektive, auf Zugang zu Kitas, Schulen und anderen Bildungsangeboten garantieren. Wir beenden die flächendeckenden und anlasslosen Widerrufsprüfungen durch das BAMF und optimieren das Asylprozessrecht. Anträgen auf Familienzusammenführung im Rahmen der Dublin- Verordnung ist schnell zuzustimmen. Wir wollen das Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen – und damit eine verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Geflüchteten, die ein echtes Ankommen und Teilhabe erschwert. Integrationsfeindliche gesetzliche Regelungen wie Arbeitsverbot und pauschale Wohnsitzauflage sowie Leistungskürzungen wollen wir abschaffen. Die in den vergangenen Jahren vorgenommenen Aushöhlungen des Aufenthalts- und Asylrechts wollen wir zurücknehmen. Wir wollen insbesondere den Schutz von Geflüchteten, die Menschenrechtsverletzungen erlebt haben oder schwer erkrankt sind, garantieren. Die Ausrufung „sicherer“ Herkunfts- oder Drittstaaten lehnen wir ab – auch auf europäischer Ebene. Flughafenverfahren sowie sofortige Zurückweisung an den deutschen Binnengrenzen wollen wir abschaffen. Ein pandemiebedingter Verlust von Arbeits-, Ausbildungs- oder Studienplätzen darf nicht zu aufenthaltsrechtlichen Nachteilen führen.


Raus aus der Duldung

Mehr als 200.000 Menschen – darunter viele Kinder und Jugendliche – leben über viele Jahre in einem Zustand der Perspektivlosigkeit und Rechtsunsicherheit in Deutschland, weil sie nur geduldet sind. Das ist weder für die Betroffenen noch für das gesellschaftliche Zusammenleben gut. Rechtliche Unsicherheit und fehlende Teilhabechancen erschweren es massiv, anzukommen und in Deutschland ein Zuhause zu finden. Wir wollen die Anzahl der Menschen, die sich von Duldung zu Duldung hangeln müssen, deshalb möglichst auf null reduzieren. Für diese Menschen braucht es nach fünf Jahren Aufenthalt ein sicheres Bleiberecht. Heranwachsende, Jugendliche und Familien mit minderjährigen Kindern sollen nach drei Jahren einen Aufenthaltstitel bekommen. In Fällen, in denen Menschen trotz nachgewiesener ernsthafter Bemühungen keinen Nationalpass erhalten können, wollen wir einen Passersatzausweis ausstellen, wenn die Betroffenen in Deutschland geboren sind und ihre Identität geklärt ist. Durch die Umwandlung der Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung in Aufenthaltsrechte verschaffen wir den Menschen einen verlässlichen Zugang zu Ausbildung und Arbeitsmarkt und sorgen für Planungssicherheit in den Betrieben. Opfer von Menschenhandel sollen ein sicheres Bleiberecht bekommen. Menschen, die nach sorgfältiger Prüfung der asyl- und aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen sowie nach Ausschöpfung aller Rechtsschutzmöglichkeiten kein Aufenthaltsrecht erhalten und bei denen keine Abschiebehindernisse entgegenstehen, müssen zügig wieder ausreisen. Wir wollen dies durch umfassende und unabhängige Beratung und Unterstützung begleiten. Jede Abschiebung ist mit großen menschlichen Härten verbunden. Abschiebungen, zum Beispiel über Rückübernahmeabkommen, sind das letzte Mittel, wenn die Rückkehr verweigert wird, freiwillige Ausreisen haben immer Vorrang. Haft ohne Verbrechen zur Durchsetzung der Ausreise ist ein massiver Eingriff in das verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsrecht. Die Berücksichtigung des Trennungsgebots und die Gewährung von Rechtsbeistand ist daher sicherzustellen. Abschiebungen in Kriegs- und Krisenländer werden wir beenden, den Abschiebestopp nach Syrien und Afghanistan bundesweit wieder einsetzen. Wir treten dafür ein, dass es keine Zusammenarbeit mit syrischen Behörden für Abschiebungen geben und die Abschiebepartnerschaft mit Afghanistan beendet wird. Die Ausweisung sicherer Gebiete darf keine Grundlage für Rückführungen in unsichere Länder begründen. In Länder, für die das Auswärtige Amt aufgrund von Covid-19 eine Reisewarnung ausgesprochen hat, darf nicht abgeschoben werden.

Wir rücken Feminismus, Queerpolitik und Geschlechtergerechtigkeit in den Fokus
Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen

Feminismus nimmt alle in den Blick und schafft Selbstbestimmung, Teilhabe und Gerechtigkeit. Ziel ist eine Ge-sellschaft, in der alle unabhängig vom Geschlecht selbstbestimmt leben und auch Frauen überall gleichberechtigt mitgestalten können – von der Arbeitswelt bis in die Parlamente. Das ist eine Aufgabe für alle Geschlechter. Dafür braucht es auch Männer, die für eine Gesellschaft einstehen, in der Macht, Möglichkeiten und Verantwortung gerecht geteilt werden und Sexismus entschieden bekämpft wird. Geschlechtergerechtigkeit ist eine Querschnittsaufgabe, die wir intersektional denken. Mit einem Gender-Check wollen wir prüfen, ob eine Maßnahme oder ein Gesetz die Gleichberechtigung der Geschlechter voranbringt, und dort, wo es ihr entgegensteht, dementsprechend eingreifen. Die Vergabe öffentlicher Aufträge soll auch Kriterien der Geschlechtergerechtigkeit berücksichtigen. Die neu geschaffene Bundesstiftung Gleichstellung werden wir zu einer effektiven, verlässlich finanzierten und unabhängigen
Institution ausbauen, die gesichertes Wissen zu den Lebenslagen aller Geschlechter bereitstellt und wirksame Maßnahmen für Gleichberechtigung entwickelt, bündelt und für Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit zugänglich macht. Hierfür leisten die Sozialwissenschaften und die Genderstudies einen unverzichtbaren Beitrag. Wir brauchen eine verbindliche Gleichberechtigungsstrategie, die alle Lebens- und Politikbereiche umfasst, ressortübergreifend arbeitet und die Erkenntnisse in umsetzbare Ziele übersetzt. Es wird Zeit für eine feministische Regierung, in der Menschen aller Geschlechter gleichermaßen für Geschlechtergerechtigkeit eintreten.


Geschlechtsspezifische Gewalt bekämpfen

Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt, die vor allem Frauen betrifft, ist eine gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe. Gewalt im häuslichen und persönlichen Nahbereich ist ein strukturelles Problem, das sowohl in der medialen Darstellung als auch in der Rechtsprechung oft verharmlost wird. Wir brauchen daher mehr Aufklärungsarbeit und spezifische Gewaltpräventionsprogramme. Mit der Istanbul-Konvention haben wir ein Instrument an der Hand, das die notwendigen Maßnahmen beschreibt. Dazu gehört auch eine Erweiterung der Kriminalstatistik, damit das Ausmaß von in Deutschland verübten Femiziden und anderen Straftaten, die aus Frauenhass begangen werden, differenziert erfasst wird und diese Taten systematisch als Hasskriminalität eingestuft werden. Zur Verbesserung des Schutzes vor geschlechterspezifischer Gewalt muss das Gewaltschutzgesetz evaluiert und novelliert werden. Gewaltbetroffene Frauen, deren Aufenthaltsstatus von dem Aufenthaltsstatus ihres Ehemanns oder Partners abhängt, sollen einen eigenständigen Aufenthaltstitel erhalten können. Polizei und Justiz müssen im Umgang mit Betroffenen sexualisierter Gewalt umfassend geschult und sensibilisiert sein. Verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum wollen wir nicht hinnehmen und werden auch geeignete Ordnungsmaßnahmen dagegen prüfen. Opfer von Vergewaltigungen brauchen eine flächendeckende qualifizierte Notfallversorgung einschließlich anonymer Spurensicherung und der Pille danach. Angebote für psychosoziale Prozessbegleitung sollen gestärkt werden. Wir werden Monitoringstelle einrichten und die getroffenen Maßnahmen regelmäßig auf ihre Wirksamkeit prüfen. Unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der alle Menschen ohne Angst verschieden sein können.


Frauenhäuser absichern

Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Es ist die Pflicht des Staates, Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen. Frauenhäusern kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Deshalb müssen deutlich mehr Frauenhausplätze geschaffen werden, auch im ländlichen Raum. Denn jede von Gewalt betroffene Frau, ob mit oder ohne Kinder, braucht eine Anlaufstelle und Schutz – unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status, ihrer Wohnsituation oder davon, ob sie eine Beeinträchtigung hat. Mit einem gesetzlichen Rechtsanspruch auf Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt sichern wir über eine Geldleistung des Bundes Betroffene unabhängig von ihrem Einkommen ab und verbessern den Zugang zu Schutzeinrichtungen und deren Angeboten für alle Frauen. Länder und Kommunen müssen weiterhin ihrerseits ihrer Finanzierungsverantwortung nachkommen. Für die Aufenthaltszeit in einem Frauenhaus sollen Betroffene, die Sozialleistungen erhalten, nicht schlechtergestellt werden. Wir brauchen Frauenhäuser, in denen Kinder, auch wenn sie älter sind, mit aufgenommen werden können. Auch Männer, die Opfer von Partnerschaftsgewalt geworden sind, brauchen Unterstützung und Zufluchtsräume. Dieses Angebot wollen wir ausbauen. Zudem müssen intersektionale Schutzkonzepte und Zufluchtsräume, insbesondere auch für queere, nichtbinäre Menschen, entwickelt und bereitgestellt werden. Wir fördern die Barrierefreiheit von Frauenhäusern und Beratungseinrichtungen, damit auch für von Gewalt betroffene Frauen mit Behinderungen Schutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen.


Vor Zwang und Ausbeutung schützen, Selbstbestimmung ermöglichen

Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung ist ein abscheuliches Verbrechen, das wir mit den Mitteln des Strafrechts, aber auch präventiv durch ein gemeinsames europäisches Vorgehen, Information sowie Schutz und Hilfe für die Opfer konsequent bekämpfen werden. Dazu wollen wir auch einen nationalen Aktionsplan gegen Menschenhandel auflegen. Opfer von Menschenhandel einfach abzuschieben, ist falsch. Stattdessen würden ihre Anzeige- und Aussagebereitschaft durch ein dauerhaftes Bleiberecht erhöht und die Strafverfolgung der Täter*innen würde erleichtert. Zwangsverheiratungen sind Menschenrechtsverletzungen. Alle Menschen, die davon bedroht sind, brauchen Hilfe und Schutz und gute Beratung durch verlässlich finanzierte Beratungsstellen. Weibliche Genitalverstümmelung ist eine massive Verletzung der körperlichen Integrität. Es ist entscheidend, dass wir den Betroffenen helfen und sie schützen, auch durch internationale Aufklärungs- und Hilfekampagnen. Doch auch in Deutschland brauchen wir eine Strategie dagegen. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich in diesem Bereich engagieren, wollen wir besser unterstützen, die Kontaktpersonen der Mädchen sowie pädagogisches Personal und Jugendämter sollen geschult und sensibilisiert werden. Menschen, die in der Prostitution arbeiten, brauchen Rechte und Schutz – auch vor Stigmatisierung und Kriminalisierung. Das Prostituiertenschutzgesetz werden wir dementsprechend evaluieren und überarbeiten mit dem Ziel, die Arbeitsbedingungen in der legalen Prostitution zu verbessern. Damit sie ihrer Arbeit sicher nachgehen können, müssen auch die Prostitutionsstätten strenger kontrolliert werden. Freiwillige, niedrigschwellige und mehrsprachige Beratungsangebote werden wir ausbauen und finanziell unterstützen. Menschen, die aus der Prostitution aussteigen wollen, unterstützen wir durch individuelle Hilfen und Beratung bei der Umorientierung. Dies kann gelingen durch Weiterbildung, finanzielle Unterstützung und Hilfe bei der Vermittlung in Erwerbsarbeit außerhalb der Prostitution.


Selbstbestimmung durch Gesundheitsversorgung

Alle Menschen müssen selbst über ihren Körper und ihr Leben entscheiden können. Eine gute Gesundheitsversorgung inklusive eines gesicherten Zugangs und umfassender Informationen zum Schwangerschaftsabbruch ist dafür notwendig. Die Entscheidung, ob eine Frau eine Schwangerschaft abbricht oder nicht, ist allein ihre. In dieser Zeit sind gute Beratungs- und Versorgungsstrukturen notwendig. Wir streiten für eine ausreichende und wohnortnahe Versorgung mit Ärzt*innen, Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Das Thema muss in die Ausbildung von Ärzt*innen nach international anerkannten Standards integriert werden. Neben der professionellen medizinischen Versorgung sind gute Beratungsangebote wichtig. Deshalb werden wir das breite Angebot an Familienplanungs- und Beratungsstellen absichern und die freiwilligen Beratungsangebote ausbauen. Um die Versorgung dauerhaft zu gewährleisten, braucht es eine Entstigmatisierung und Entkriminalisierung von selbstbestimmten Abbrüchen sowie eine generelle Kostenübernahme. Das ist nur möglich, wenn der selbstbestimmte Schwangerschaftsabbruch nicht mehr im Strafgesetzbuch (§ 218 und § 219), sondern außerhalb geregelt wird. Schwangere, die eine Beratung aufsuchen, sowie die Beratungsstellen und Ärzt*innen müssen mit einem bundeseinheitlich verankerten Schutz vor Anfeindungen und Gehsteigbelästigungen geschützt werden. Bei einer ungewollten Schwangerschaft muss der bestmögliche Zugang zu Informationen gewährleistet werden. Um Ärzt*innen vor drohenden Anzeigen zu schützen, gilt es insbesondere den § 219 a schnellstmöglich aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. In einem ersten Schritt müssen die Kosten für ärztlich verordnete Mittel zur Empfängnisverhütung für Empfänger*innen von staatlichen Transferleistungen und Geringverdiener*innen unbürokratisch übernommen werden. Perspektivisch soll der kostenfreie und leichte Zugang zu Verhütungsmitteln für alle gelten. Am einfachsten wäre es, diesen Zugang über die Krankenkassen zu regeln.


Queerfeindlichkeit bekämpfen

Lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* und queere Menschen sollen selbstbestimmt und diskriminierungsfrei ihr Leben leben können. Dafür und gegen gesetzliche Diskriminierungen sowie Benachteiligungen und Anfeindungen im Alltag werden wir ein starkes Signal setzen und den Schutz von Menschen aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität durch die Ergänzung des Artikels 3 Absatz 3 des Grundgesetzes sicherstellen. Wir werden gemeinsam mit den Organisationen der Community einen bundesweiten ressortübergreifenden Aktionsplan „Vielfalt leben!“ für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt vorlegen – mit dem Ziel, LSBTIQ* gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu garantieren, um die Akzeptanz von Vielfalt zu fördern. Dazu gehören auch Maßnahmen zur LSBTIQ*-inklusiven Gesellschaftspolitik sowie die institutionelle Förderung und Projektförderung der LSBTIQ*- Verbände, -Organisationen und -Stiftungen. Das diskriminierende Blutspendeverbot für schwule und bi-sexuelle Männer sowie transgeschlechtliche Personen wollen wir aufheben. LSBTIQ* sind besonders oft von sexualisierter Gewalt betroffen. Gegen LSBTIQ* gerichtete Hasskriminalität werden wir entschieden bekämpfen. Um queere Jugendliche insbesondere auch im ländlichen Raum zu schützen und zu stärken, wollen wir mit einer bundesweiten Aufklärungskampagne für junge Menschen über die Vielfalt sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten informieren und bezüglich Homo-, Bi-, Trans*- und Queerfeindlichkeit sensibilisieren. Wir werden uns gemeinsam mit den Ländern dafür einsetzen, dass sich geschlechtliche und sexuelle Vielfalt und Diversität in den Lehr- und Bildungsplänen wiederfinden und diese konsequent umgesetzt werden. Queerfeindliche Straftaten sollen statistisch
gesondert erfasst werden.


Selbstbestimmung garantieren, Transsexuellengesetz aufheben

Mit einem Selbstbestimmungsgesetz werden wir dafür sorgen, dass das überholte Transsexuellengesetz endlich aufgehoben wird. Eine Änderung des Geschlechtseintrags und des Namens auf Antrag der betroffenen Person werden wir ermöglichen, ohne dass dafür psychologische Zwangsgutachten notwendig sind. Das Offenbarungsverbot werden wir konkretisieren und vorsätzliche Verstöße dagegen sanktionieren. Wir schreiben fest, dass alle nicht notwendigen Operationen und Behandlungen an intergeschlechtlichen Kindern verboten werden und Lücken in den entsprechenden Gesetzen geschlossen werden. Operationen, die als medizinisch notwendig durchgeführt wurden, sollen, unter Berücksichtigung eines strengen Datenschutzes, zentral erfasst werden, um eine bessere Nachvollziehbarkeit für Betroffene und eine bessere Datengrundlage zu erreichen. Bei Gesundheitsleistungen sowie körperangleichenden Operationen und Hormontherapien muss das Selbstbestimmungsrecht gesichert sein. Den Anspruch auf medizinische körperangleichende Maßnahmen wollen wir gesetzlich verankern und dafür sorgen, dass die Kostenübernahme durch das Gesundheitssystem gewährleistet wird. Wir werden einen Entschädigungsfonds für die Opfer aus dem Kreis der trans*- und inter*geschlechtlichen Personen, deren körperliche Unversehrtheit verletzt wurde oder deren Ehen zwangsgeschieden wurden, einrichten.

Wir stärken Sicherheit und Bürger*innenrechte
Sicherheit für alle und eine gut ausgestattete und bürger*innennahe Polizei

Deutschland ist grundsätzlich ein sicheres Land. Das liegt auch an der guten Arbeit der Polizei. Wir wollen, dass das so bleibt. Diebstahl, Einbrüche, Gewalttaten, Hassverbrechen oder organisierte Kriminalität belasten Opfer und ihre Angehörigen dennoch schwer. Für ihre Aufgaben wie Prävention, Aufklärung und Strafverfolgung und den Schutz der Grundrechte wollen wir die Polizei stärken, in der Stadt und auf dem Land, analog und digital. Den früheren Personalabbau bei Bundespolizei und Bundeskriminalamt wollen wir durch eine Offensive bei der Besetzung offener Stellen beheben und gleichzeitig spezialisierte Ausbildungen und Studiengänge ermöglichen. Wir wollen, dass die Polizei die Diversität der Bevölkerung widerspiegelt. Die Polizist*innen verdienen unsere Wertschätzung, genauso wie gute Arbeitsverhältnisse und leistungsfähige Strukturen innerhalb der Behörden. Sichere und leistungsfähige Datenverarbeitung, kombiniert mit mobiler IT und klar geregelten Kompetenzen, ist dabei eine Grundvoraussetzung moderner Polizeiarbeit. Gutes polizeiliches Handeln kann jedoch kein Ersatz für gesellschaftliche Problemlösung sein. Deswegen werden wir die Zusammenarbeit mit zivilen Trägern und externen Expert*innen unterstützen und weiter ausbauen.


Die besondere Verantwortung der Polizei

Wir wollen eine Gesellschaft, in der alle frei und sicher leben können. Sicherheit muss überall gleichermaßen garantiert sein. Freiheits- und Bürger*innenrechte behandeln wir nicht als Streichposten der Innenpolitik, sondern als ihre zentralen Schutzgüter. Sicherheit darf keine Frage der sozialen Schicht, der Herkunft, des Geschlechts, der sexuellen Identität, des Aussehens oder des Wohnorts sein. Damit die Polizei ihren komplexen Aufgaben nachkommen kann, muss sie auf das Vertrauen der gesamten Bevölkerung bauen können. Als ausführendes Organ des staatlichen Gewaltmonopols hat die Polizei zudem eine besondere Verantwortung. Dem entspricht die Einführung einer individuellen, aber anonymisierten Kennzeichnung für die Bundespolizei sowie der Stelle einer/eines unabhängigen
Bundespolizeibeauftragten mit umfassenden Kompetenzen, an die/den sich im Falle von auftretenden Problemen oder erkannten Missständen sowohl Polizist*innen wie auch Bürger*innen wenden können. Straftaten im Amt und Todesfälle in Polizeigewahrsam müssen ohne Wenn und Aber aufgeklärt werden. Wir werden die Kontrollbefugnisse der Bundespolizei so ausgestalten, dass sie nicht mehr zu Racial Profiling führen, und die Einführung sogenannter Ticketsysteme erproben, um Gründe für polizeiliche Kontrollen für die Betroffenen transparent zu machen. Polizist*innen sollten sich auch nach der Ausbildung verpflichtend fortbilden können und müssen. Wichtige Fortbildungsbereiche sind beispielsweise der Umgang mit Menschen mit psychischen Erkrankungen sowie Antidiskriminierung und die Gefahr von Racial Profiling. Besondere Belastungen im Dienst sollen regelmäßig, beispielsweise im Rahmen von Supervision, nachbereitet werden. Eine bundesweite, externe Fachstelle zur Seelsorge und ethischer Bildung ist einzurichten. Das bereits bestehende ZeBuS (Zentrum für ethische Bildung und Seelsorge in der Polizei NRW) kann hierbei als Vorbild dienen. Längst überfällig sind unabhängige wissenschaftliche Studien zu Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus in den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden. Wir wollen Polizeiforschung besser ermöglichen und die Polizei dafür stärker öffnen. Rationale Sicherheitspolitik setzt eine solide Faktenlage und klare Zuständigkeiten voraus. Deshalb werden wir unter anderem den Periodischen Sicherheitsbericht wieder einführen, dessen Aussagekraft sich in der Vergangenheit bewährt hat.

 

Europäisches Kriminalamt schaffen, organisierte Kriminalität verfolgen

Zahlreiche Straftaten finden grenzüberschreitend statt, insbesondere die organisierte Kriminalität und islamistische oder rechtsextreme Terrornetzwerke machen nicht an Landesgrenzen halt. Zum Schutz der Bürger*innen und zur Verteidigung unserer Freiheit brauchen wir eine stärkere grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Polizei und Justiz: durch gemeinsame europäische Polizeiteams, durch die Aufwertung von Europol zu einem Europäischen Kriminalamt sowie durch eine engere justizielle Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, auch mit Hilfe von Eurojust und bei der Bekämpfung von Betrug zu Lasten der EU-Finanzen mit dem EU- Betrugsbekämpfungsamt OLAF und der Europäischen Staatsanwaltschaft unter Nutzung modernster Analysemethoden. Wegen der zunehmenden Vernetzung von europäischen Datenbanken sind hohe Datenschutzstandards und eine Verbesserung des grenzüberschreitenden Rechtsschutzes unabdingbar. Diese Zusammenarbeit braucht eine unabhängige Justiz und faire Strafverfahren in allen EU-Mitgliedstaaten.


Verfassungsschutz neu ordnen

Der Verfassungsschutz hat in der Vergangenheit viel Vertrauen verspielt, vor allem im Hinblick auf den NSU-Komplex. Hier sind Veränderungen, insbesondere durch einen personellen Neuanfang, zu beobachten, dennoch muss ein struktureller Neustart folgen, mit dem die Analysefähigkeit des Verfassungsschutzes verbessert wird. Der in Wissenschaft und Zivilgesellschaft schon heute vorhandene Sachverstand über verfassungsfeindliche Bestrebungen muss systematischer genutzt werden. Diese Expertise soll einbezogen und durch ein Demokratiefördergesetz flächendeckend gestärkt und dauerhaft gefördert werden. Wir wollen den Verfassungsschutz strukturell neu aufstellen: zum einen mit einem unabhängigen, wissenschaftlich aus öffentlichen Quellen arbeitenden Institut zum Schutz der Verfassung. Zum anderen mit einem verkleinerten Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr, das mit rechtsstaatskonformen nachrichtendienstlichen Mitteln klar abgegrenzt von polizeilichen Aufgaben arbeitet. Hier braucht es auch eine engere und effektivere parlamentarische Kontrolle. Um Vertrauen zurückzugewinnen, werden wir die Kontrolle der Arbeit der Nachrichtendienste stärken und den Einsatz von menschlichen Quellen gesetzlich regeln.


Rechtsextremismus bekämpfen, Netzwerke zerschlagen

Es gibt mehr als 32.000 Rechtsextremist*innen in Deutschland, die sich trotz des ausgrenzend völkischen Ansatzes auch transnational immer stärker vernetzen. Die Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen – auch innerhalb der Sicherheitsbehörden – muss Priorität für alle Sicherheitsorgane haben. Dazu braucht es ein Bündel aus Prävention, Schutz- und Sanktionsmaßnahmen. Durch eine bundesweit vernetzte Präventionsstrategie wollen wir die Präventionsarbeit massiv ausbauen und dabei auch die antifeministische und nationalistisch- völkische Dimension des Rechtsextremismus in den Blick nehmen. Zu Letzterer gehört zum Beispiel die rechtsextreme und gewaltbereite „Ülkücü-Bewegung“, umgangssprachlich „Graue Wölfe“ genannt, die wir mit allen politisch und rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln zurückdrängen wollen. Zivilgesellschaftliche Gruppen leisten eine wichtige Arbeit zur Aufklärung und Zurückdrängung rechtsextremer Strukturen. Sie sollen strukturell und langfristig durch ein Demokratiefördergesetz gefördert werden. Wir werden unabhängige wissenschaftliche Studien zu Rassismus und Rechtsextremismus in den verschiedenen Sicherheitsbehörden initiieren, Hassgewalt erfassen und konsequent verfolgen. Rechtsextreme müssen konsequenter und zügiger als bisher aus Sicherheitsbehörden entfernt werden. Hierfür wollen wir die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Die Mordserie des rechtsterroristischen NSU sowie andere rassistische und rechtsextremistische Terrorakte in Deutschland – zum Bei-spiel die Morde in Hanau – sind nach wie vor nicht vollständig aufgearbeitet. Deshalb richten wir nach dem Vorbild der Stasi-Unterlagen-Behörde ein Archiv über rechten Terror ein, in dem auch die Dokumente und Ergebnisse der 13 parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum NSU ausgewertet werden und die langfristig Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und der Zivilgesellschaft zugänglich sind. Unsere Solidarität gilt allen Opfern und Betroffenen von rechtsterroristischen, extrem rechten und rassistischen Angriffen. Wir wollen daher auf Bundesebene einen Fonds für Opfer und Betroffene, insbesondere rechtsextremer, rassistischer oder islamistischer Gewalt, einrichten.


Vor Terrorismus schützen

Jede Form politisch motivierter Gewalt gefährdet unseren Rechtsstaat. Insbesondere durch Terrorismus von gewaltbereiten Rechtsextremist*innen und Islamist*innen ist die öffentliche Sicherheit in Deutschland bedroht. Um die offene Gesellschaft, unsere Demokratie und die Menschen zu schützen, müssen wir Terror entschieden bekämpfen – durch effektive intersektional ausgerichtete Präventionsarbeit, bessere Vernetzung der Sicherheitsbehörden und eine konsequente Überwachung von sogenannten Gefährder*innen. Dazu braucht es eine europäisch abgestimmte Definition des Gefährderbegriffs mit rechtlich überprüfbaren Ein- und Ausstufungskriterien. Gefährder*innen müssen engmaschig überwacht werden. Ziel ist, dass gegenüber Gefährder*innen offene Haftbefehle konsequent vollstreckt und laufende Verfahren über Ländergrenzen hinweg zusammengezogen werden. Die Kooperation und Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden, auch über Ländergrenzen, muss reformiert werden, wozu die Schaffung rechtlicher Grundlagen für die Terrorabwehrzentren GTAZ und GETZ gehört. Jenseits der Terrorabwehr lehnen wir Grundrechtseingriffe aufgrund einer Einstufung als sogenannte*r Gefährder*in ab. Aussteigerprogramme für Menschen aus der rechtsextremistischen und islamistischen Szene werden wir ebenso ausbauen wie Hilfs- und Beratungsangebote für Opfer und deren Angehörige. Es braucht ein bundeseinheitliches, professionalisiertes Präventions- und Deradikalisierungsnetzwerk – analog zu den zivilgesellschaftlichen Trägern, die sich bereits besser als die politischen Ebenen in Bund und Ländern vernetzt haben. Prävention und Deradikalisierung in Haftanstalten wollen wir stärken. Um Attentate zu erschweren, werden wir illegalen Waffenhandel, auch und gerade auf Online-Marktplätzen, verstärkt ver-
folgen.


Mehr Sicherheit durch weniger Waffen

In Deutschland gibt es über fünf Millionen legale Waffen. Jedes Jahr sterben Menschen auch durch legale Waffen, beim Hantieren mit ihnen oder durch Straftaten. Diese reichen von häuslicher Gewalt über Amokläufe bis hin zu extremistischen Attentaten. Solche Straftaten werden nicht unbedingt durch die berechtigten Legalwaffenbesitzer*innen begangen, sondern auch durch Menschen, die sich rechtswidrig Zugang zu diesen Waffen verschaffen, weil sie über entsprechende Zugänge, zum Beispiel im gemeinsamen Haushalt, verfügen. Um ein valides Bild über die Dimensionen und Ursachen solcher Straftaten zu erhalten, braucht es eine verbesserte kriminalstatistische Erfassung. Es muss dokumentiert werden, ob eine Straftat mit einer legalen oder illegalen Schusswaffe begangen wurde, ob es bei der Tat auch zu einer Schussabgabe kam und ob die oder der Tatverdächtige berechtigt war, die Waffe zu besitzen oder nicht. Jeder Mensch, der durch eine Waffe stirbt, ist einer zu viel. Deshalb wollen wir die Verfügbarkeit von tödlichen Schusswaffen – außer für Jäger*innen, die ohne diese Waffen ihre Aufgaben nicht erfüllen können – schrittweise beenden. Auch im Bereich des Schießsports setzen wir uns im Dialog mit Sportschütz*innen für die Umstellung auf nichttödliche Schusswaffen ein.


Bevölkerungsschutz krisenfest machen

Deutschland verfügt über ein herausragendes Netz von Akteur*innen, die im Katastrophenfall handlungsfähig sind. Das Rückgrat hierfür bilden die überwiegend freiwilligen Mitglieder der Hilfsorganisationen, Feuerwehren und des Technischen Hilfswerks. Die Klimakrise und die Herausforderungen unserer modernen Gesellschaft setzen dieses System unter Druck. Gerade länderübergreifende Katastrophen, wie Pandemien, Hochwasserereignisse, Waldbrände oder flächendeckende Stromausfälle, haben ein enormes Schadenspotenzial und erfordern koordiniertes Handeln, wenn einzelne Länder an ihre Grenzen stoßen. Wir wollen, dass sich der Bund hier stärker engagiert und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mehr Kompetenzen bekommt. Das freiwillige und Spontanhelfer*innen- Engagement wollen wir weiter stärken und für digitale Bereiche, zum Beispiel über ein Cyber- Hilfswerk, fit machen. Außerdem setzen wir uns für eine Stärkung des gesundheitlichen Bevölkerungsschutzes ein, um die in
terdisziplinäre Bekämpfung von zukünftigen Pandemien sicherzustellen.

 

Schutz für Whistleblower*innen

Abgasmanipulationen, Missstände in Pflegeeinrichtungen, der Verkauf von Facebook-Nutzerdaten – kaum einer der großen Wirtschaftsskandale der vergangenen Jahre wäre ohne die Hinweise aus den Unternehmen überhaupt an die Öffentlichkeit gelangt. Missstände in Unternehmen, Behörden und anderen Bereichen wie Doping im Sport bis hin zu kriminellen Aktivitäten in Unternehmen und Behörden brauchen mutige Menschen, die sie ans Licht bringen. Diese „Whistleblower*innen“ müssen im Interesse von uns allen besser vor Repressalien aus dem Aus- und Inland, gesundheitlichen, finanziellen und sozialen Folgen ihrer Meldung geschützt werden. Das werden wir mit einem Hinweisgeberschutzgesetz, das die EU-Whistleblower-Richtlinie ambitioniert und umfassend auch für das gesamte
nationale Recht umsetzt, erreichen. Darin festgeschrieben sind ein zweistufiges Meldeverfahren sowie ein Entschädigungsfonds, mit dem das persönliche Risiko minimiert wird. Die Furcht vor einem ökonomischen und persönlichen Schaden als Hemmnis für eine Hinweisgabe soll so abgebaut und potenzielle Hinweisgeber*innen sollen ermutigt werden. Wir wollen, dass Whistleblower*innen wie Edward Snowden, dem wir die Aufdeckung der weltweiten Ausspähung und Massenüberwachung durch zahlreiche Nachrichtendienste zu verdanken haben, frei und sicher in einem demokratischen Land leben können, und ihnen dies auch in Deutschland anbieten.

 

Zielgerichtete Abwehr konkreter Gefahren

Ein funktionierender, demokratischer Rechtsstaat muss Sicherheit gewährleisten und die ihn konstituierenden Freiheitsrechte wahren. Wir stehen für eine rationale Sicherheits- und Kriminalpolitik, die Rechtsgüter vor realen Beeinträchtigungen schützt, konkrete Gefahren anlassbezogen und zielgerichtet abwehrt sowie eine verhältnismäßige Strafverfolgung gewährleistet, statt die Bevölkerung mit pauschaler Massenüberwachung unter Generalverdacht zu stellen. Sicherheitsgesetze müssen auf den Prüfstand, zukünftig auf valider Empirie beruhen und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit regelmäßig unabhängig evaluiert werden. Wir stellen dazu eine Überwachungsgesamtrechnung auf, die laufend fortgeführt wird. Den Einsatz biometrischer Identifizierung im öffentlichen Raum, wie beispielsweise Gesichtserkennung, lehnen wir ebenso wie die undifferenzierte Ausweitung der Videoüberwachung, die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, generelle Hintertüren in digitalen Geräten und Anwendungen oder das Infiltrieren von technischen Geräten (Online-Durchsuchung bzw. Quellen-TKÜ) ab. Zudem soll eine Verpflichtung eingeführt werden, Sicherheitslücken zu melden und aktiv auf ihre Behebung hinzuwirken. Unternehmen dürfen nicht dazu verpflichtet werden, die IT-Sicherheit und Netzintegrität auf Kosten der Allgemeinheit zu gefährden. Wir streiten für eine technisch und personell gut ausgestattete und zielgerichtete Polizeiarbeit auf klaren Rechtsgrundlagen. Damit stärken wir auch die Rechtssicherheit für die Arbeit der Behörden und schaffen Vertrauen. Die digitale Kompetenz in den Sicherheitsbehörden wollen wir stärken, damit bestehende Möglichkeiten zur Verbrechensverhütung und -aufklärung effektiv angewendet werden.

Wir garantieren den Rechtsstaat und stärken den Verbraucherschutz
Konsequent gegen Korruption

Korruption, Steuerhinterziehung, Geldwäsche oder Manipulationen im Finanzmarkt sind Rechtsverstöße, die verheerende Auswirkungen auf den Wettbewerb und den freien Markt, für Umwelt und Menschen(rechte) haben können. Wirtschaftsstraftaten machen einen Großteil der polizeilich erfassten finanziellen Schädigungen aus. Bei Rechtsverstößen werden wir Unternehmen deshalb künftig wirksamer zur Rechenschaft ziehen. Ziel ist, die bereits verstreut bestehenden Regelungen in einem eigenständigen Gesetz gegen Wirtschaftskriminalität zusammenzufassen und zu ergänzen. Um zu verhindern, dass Rechtsverstöße von Unternehmen wegen organisierter Unverantwortlichkeit nicht geahndet werden können, soll künftig auch an das Organisationsverschulden angeknüpft werden können. Die Pflicht zum Nachweis der legalen Herkunft großer Zahlungen wollen wir verstärken. Sanktionen müssen gemäß den EU-Vorgaben wirksam, angemessen und abschreckend sein, zum Beispiel indem unrechtmäßiger Gewinn bei der Abschöpfung geschätzt werden darf und die nötigen Ressourcen dafür bereitgestellt werden. Den Sanktionskatalog wollen wir um weitere Maßnahmen, wie den Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge, die Schadenswiedergutmachung sowie verpflichtende Vorkehrungen für Unternehmen zur Verhinderung von Straftaten, erweitern und ein öffentliches Sanktionsregister einführen.


Rechtsschutz für jede*n, Gruppenklagen einführen

Menschen müssen ihr Recht auch gegenüber wirtschaftlich Stärkeren wirksam durchsetzen können, zum Beispiel in Fällen wie dem Diesel-Abgas-Betrug. Dazu führen wir die Gruppenklage ein, damit Menschen auch bei kleineren, aber massenhaft auftretenden Schäden effektiv zu ihrem Recht kommen und zum Beispiel Schadensersatz bekommen. Die bisher eingeführten kollektiven Klageverfahren, wie die Musterfeststellungsklage, die nur Verbraucher*innen zusteht, und das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, sind unzureichend. Die immer beliebtere und oft wirkungsvolle Rechtsdurchsetzung durch Legal-Tech-Unternehmen kann andererseits vielen Menschen schnell und unkompliziert zu ihrem Recht verhelfen. Den kollektiven Rechtsschutz wollen wir deshalb verallgemeinert und vereinheitlicht in die Zivilprozessordnung integrieren und die Bündelung individueller Ansprüche im Rahmen einer Gruppenklage ermöglichen. Für eine bessere Durchsetzung des Rechts sollen die Zugangsschranken gesenkt, die Verfahren vereinfacht sowie die Beratungs- und Prozesskostenhilfe gestärkt werden. Die Verbandsklage-Richtlinie der EU setzen wir verbraucherfreundlich und zügig in nationales Recht um. Die Auswirkungen unterschiedlicher Finanzkraft der Parteien, Möglichkeiten der Prozessverzögerung und der Einfluss von tatsächlich betroffenen Dritten (zum Beispiel Versicherungen) auf Gerichtsverfahren müssen minimiert werden.


Strafrechtliche Sanktionen mit Vernunft und Augenmaß

Wir überprüfen die Wirkungen der Straf- und Strafverfahrensrechts-Änderungen der letzten Jahre anhand des Maß-tabs rationaler, faktenbasierter Kriminalpolitik und reformieren das Sanktionensystem mit dem Ziel von Prävention und Resozialisierung. Dazu gehören Verzicht auf nutzlose Ersatzfreiheitsstrafen, größere Wirksamkeit von Bewähungsauflagen und Stärkung von ambulanten Sanktionsmöglichkeiten.


Kinderschutz vor Gericht verbessern

In familienrechtlichen Verfahren werden Entscheidungen getroffen, die erhebliche Auswirkungen auf das weitere Leben von Kindern und ihren Familien haben können. Häusliche Gewalt muss in Entscheidungen über Besuchs- und Sorgerecht berücksichtigt werden. Es gilt den Kinderschutz vor Gericht zu stärken und die Meinung von Kindern zu berücksichtigen. Anhörungen müssen kindgerecht ausgestaltet sein und mehrfache Befragungen nach Möglichkeit vermieden werden. Im familiengerichtlichen Verfahren braucht es entsprechende interdisziplinäre Angebote, wie zum Beispiel Childhood-Häuser. Wir machen einerseits die Fortbildungen für Familienrichter*innen verbindlich und werden diese andererseits beim Arbeitspensum der Richter*innen berücksichtigen. Auch in Kindschaftssachen wollen wir die Rechtsbeschwerdemöglichkeit zum Bundesgerichtshof herstellen. In Strafverfahren wollen wir die Opferrechte von Kindern weiter stärken. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder muss konsequent aufgeklärt und verfolgt werden, vor allem durch mehr – insbesondere auch auf Internetkriminalität spezialisiertes – Personal bei Polizei und Staatsanwaltschaften.


Vor Kostenfallen schützen, Online-Kündigung mit nur einem Klick

Online-Verträge kann man mit einem Klick abschließen, die Kündigung bedarf aber der Textform. Auch lange Mindestlaufzeiten und automatische Vertragsverlängerungen um ein Jahr sind alles andere als verbraucherfreundlich. Immer noch werden Verbraucher*innen an Telefon oder Haustür überrumpelt und ihnen ungewollte Verträge untergeschoben. Wir wollen Verbraucher*innen vor Vertragsfallen schützen und durchsetzen, dass die Online-Kündigung so einfach ist wie die Online-Bestellung. So wie es einen Bestellbutton gibt, muss es auch einen Kündigungsbutton geben sowie eine verpflichtende Eingangsbestätigung für Online-/E-Mail-Kündigungen. Vertragslaufzeiten und automatische Verlängerungen müssen verkürzt werden – zugunsten des Verbraucherschutzes und des Wettbewerbs. Wir wollen die maximale Mindestlaufzeit von Verträgen von zwei Jahren halbieren und die stillschweigende Vertragsverlängerung von einem Jahr auf einen Monat verkürzen. Telefonisch abgeschlossene Verträge sollen erst gelten, wenn sie nachträglich bestätigt werden. Auch vor unseriösen Haustürgeschäften wollen wir Verbraucher*innen besser schützen.


Ein Recht auf Reparatur

Von der Waschmaschine bis zum Handy – viele Geräte landen schon nach kurzer Zeit auf dem Müll, weil sie schnell kaputtgehen, nicht reparierbar sind oder keine Softwareupdates mehr angeboten werden. Das ärgert die Verbraucher*innen, es verschwendet wertvolle Ressourcen und verursacht Berge von Elektroschrott. Wir setzen stattdessen auf Qualität und Langlebigkeit. Durch ein Recht auf Reparatur wollen wir Elektroschrott von vornherein vermeiden. Die Grundlage dafür sind verbindliche Designvorgaben, damit elektronische Geräte so gestaltet sind, dass sie möglichst langlebig, reparierbar und recyclingfähig sind. Dabei darf es nicht nur um die Hardware eines Geräts gehen. Mindestens für die erwartbare Lebensdauer müssen Ersatzteile und Softwareupdates kostengünstig erhältlich sein.
Ein Label soll erkennbar und vergleichbar machen, wie lange Ersatzteile und Softwareupdates zur Verfügung gestellt werden. Durch die Verdopplung der Gewährleistungsfristen auf vier Jahre, die Erweiterung der Beweislastumkehr auf zwei Jahre und eine Angabe der vom Hersteller vorgesehenen Lebensdauer wollen wir erreichen, dass Geräte für eine längere Lebensdauer gebaut werden. So werden wir die Spielräume der EU-Vorgaben voll ausschöpfen und uns gleichzeitig für mehr Verbraucherschutz in der EU engagieren. Außerdem werden wir den reduzierten Mehrwertsteuersatz für Reparaturdienstleistungen einführen und uns auf EU-Ebene für die Ausweitung auf die Reparatur von Elektrogeräten einsetzen.


Finanzberatung im Interesse der Kund*innen

Häufig werden Kund*innen Finanz- und Versicherungsprodukte vermittelt, die am persönlichen Bedarf vorbeigehen. Diese Produkte sind häufig gut für die Gewinne der Banken und Versicherungen, aber schlecht für die Kund*innen. Wir wollen die Finanzberatung vom Kopf auf die Füße stellen. Dafür schaffen wir ein einheitliches und transparentes Berufsbild für Finanzberater*innen. Alle Vermittler*innen und Berater*innen sollen künftig von der BaFin beaufsichtigt werden. Wir wollen weg von der Provisionsberatung und chrittweise zu einer unabhängigen Honorarberatung übergehen. Dafür schaffen wir eine gesetzliche Honorarordnung, die Finanzberater*innen stärkt und unabhängiger macht. Zusammen mit den Verbraucherzentralen und der Branche entwickeln wir Honorarmodelle (Ratenzahlungen, Flatrates), die zu Lebenssituation und Präferenzen der Menschen passen, und senken mit Standardprodukten in der Altersvorsorge die Kosten insbesondere für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Die Finanzaufsicht soll von der Möglichkeit, den Vertrieb von schädlichen irreführenden Finanzprodukten zu untersagen, häufiger Gebrauch machen und für mehr Finanzbildung sorgen. Zusätzlich wollen wir die Kompetenzen der BaFin im Verbraucherschutz stärken und die Beteiligungsrechte des Verbraucherbeirats ausweiten. Überhöhte Dispozinsen und Gebühren, insbe-sondere für das Basiskonto, werden wir begrenzen.

Wir fördern die Kultur, die Künste und den Sport
Krisenfeste Strukturen für die Kultur

Die Künste sind frei und müssen keinen Zweck erfüllen. Sie sind gleichzeitig von zentraler Bedeutung für die Selbstreflexion der Gesellschaft, den Zusammenhalt und die Persönlichkeitsbildung der/des Einzelnen. Wir wollen, dass die Kulturlandschaft nach der Pandemie mit ihren monatelangen Schließungen zu neuer Lebendigkeit, Vielfalt und Reichhaltigkeit findet und Kultur und kulturelle Bildung endlich selbstverständlicher Teil der Daseinsvorsorge werden. Deswegen wollen wir Kultur als Staatsziel im Grundgesetz verankern. Eine nachhaltige (Wiederaufbau-)Strategie muss die Kommunalfinanzen als eine wichtige Grundlage für das Kulturleben stärken, das Zuwendungsrecht reformieren, mehr Kooperationen zwischen Bund, Ländern und Kommunen bei der Finanzierung von Kultureinrichtungen und -projekten ermöglichen sowie einen Fonds zum Schutz von Kultureinrichtungen vor Verdrängung und Abriss einrichten, der Kulturorte wie beispielsweise Clubs langfristig absichert. Die öffentliche Kulturförderung soll künftig partizipativ, inklusiv und geschlechtergerecht abgestimmt sowie nach transparenten Kriterien angelegt sein. Ebenso braucht es eine gleiche Wertschätzung bei der Finanzierung und den Rahmenbedingungen für alle Kulturformen und -sparten, für die freie Szene und institutionell geförderte Kultureinrichtungen.


Kulturschaffende und Kreative besser absichern

Die Corona-Krise zeigt, unter welch prekären Bedingungen viele Kultur- und Medienschaffende arbeiten. Für eine vielfältige Kulturlandschaft braucht es eine Absicherung, die Freiräume bietet und künstlerisches und kreatives Schaffen ermöglicht. Wir setzen uns für gute Arbeits- und Ausbildungsbedingungen und faire Bezahlung ein, damit an privaten und insbesondere öffentlichen Kulturinstitutionen prekäre Arbeitsverhältnisse überwunden werden. Solo-Selbständige und Kulturschaffende sollen für die Zeit der Corona-Krise mit einem Existenzgeld von 1.200 Euro im Monat abgesichert werden. Eine Absicherung braucht es aber auch darüber hinaus. Die Künstlersozialkasse (KSK) muss finanziell gestärkt, Rechtssicherheit für die Mitgliedschaft in der KSK, auch für Künstler*innen, die nur zeitweise für Produktionen versicherungspflichtig angestellt sind, geschaffen und die freiwillige Weiterversicherung für Selbständige in der Arbeitslosenversicherung vereinfacht werden. Es muss sichergestellt werden, dass Urheber*innen für ihre Werke eine angemessene Vergütung erhalten. Eine angemessene Beteiligung, insbesondere an den Gewinnen der Vertriebsplattformen, sorgt dafür, dass Kultur- und Medienschaffende weiter an ihren Werken verdienen können. Nutzer*innen sollen bei digitalen Inhalten bei der Ausleihe und Weiterveräußerung nicht schlechtergestellt werden als bei analogen Gütern. Aus diesem Grund sollen Bibliotheken unter denselben Bedingungen E-Books verleihen dürfen, die sich für physische Bücher bewährt haben, ohne dafür Lizenzverträge abschließen zu müssen.


Kultur in der Gesellschaft

Aktives Kulturleben ist die Basis von demokratischen Gesellschaften. Hier findet die Auseinandersetzung darüber statt, wie wir leben wollen. Deshalb muss die Gesellschaft in ihrer ganzen Vielfalt im Kulturschaffen sichtbar sein. Wir wollen Kultureinrichtungen öffnen und stärken, damit jede*r einfachen Zugang zu ihnen hat und ihre Angebote nutzen und gestalten kann. Bestehende soziale, finanzielle oder bauliche Hürden müssen dafür abgebaut werden, etwa durch den kostenlosen Eintritt für Schüler*innen in staatlichen Museen, durch die Sonntagsöffnung von öffentlichen Bibliotheken oder durch einen Kulturpass für Menschen mit geringem Einkommen. Wir wollen gerade solche Kulturangebote kontinuierlich und flächendeckend fördern, die die Situation und die Bedürfnisse in ihrer Stadt oder ihrer Gemeinde mitdenken und das als ihre zentrale Zukunftsaufgabe verstehen. In ländlichen Regionen, aber auch in urbanen Zentren sollen Kultureinrichtungen Knotenpunkte von Begegnungen und zu sogenannten „Dritten Orten“ werden, die auch Menschen einen Zugang zu Kultur ermöglichen, die davon bislang wenig profitieren. Bei der Besetzung von Intendanzen, bei der Zusammensetzung von staatlich geförderten Kulturbetrieben, bei der Vergabe von Stipendien und Werksaufträgen und bei staatlichen Jurys wollen wir eine Quotenregelung einführen, um Geschlechtergerechtigkeit zu gewährleisten, sowie flache Hierarchien und partizipative Strukturen fördern. Zudem muss auf angemessene Repräsentanz der vielfältigen Gesellschaft geachtet werden. Themen wie Nachhaltigkeit, Diversität und inklusive Teilhabe müssen fester Bestandteil der Ausbildung zu Kulturberufen sein. Auch kulturelle Vielfalt sowie Transkulturalität, also die gegenseitige Durchdringung von Kulturen, wollen wir fördern.


Den Kulturbetrieb ökologischer machen

Der Kulturbetrieb und die Künste können eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Klimakrise spielen. Es gibt viele Initiativen und Akteur*innen, die mit großem Einsatz versuchen, ressourcenschonender zu arbeiten und den Kulturbetrieb ökologisch auszurichten. Dieses Engagement werden wir durch eine zentrale Beratungsstelle, den Green Culture Desk, unterstützen und einen Green-Culture-Fonds als Förderinstrument einrichten. Künstler*innen geben außerdem wichtige Impulse für die nachhaltige Transformation. Wir wollen im Sinne eines Fonds für Ästhetik und Nachhaltigkeit ein Instrument zur ressortübergreifenden, transdisziplinären Förderung schaffen, das den Aufbau von langfristigen Strukturen ermöglicht sowie freie Experimentier- und Handlungsräume schafft. Damit sind auch hybride Modelle der Kooperation zwischen Künstler*innen, Wissenschaftler*innen und Akteur*innen der Zivilgesellschaft gemeint.


Film- und Kinokultur stärken und ins digitale Zeitalter führen

Den Film als prägendes Medium des Bewegtbildes und Kinos als öffentliche Kulturorte wollen wir angesichts des schnellen Wandels der Produktions- und Vertriebsformen stärken. Um die künstlerische Qualität und Anziehungskraft des deutschen und europäischen Films zu steigern, vereinfachen wir Entscheidungsprozesse: Wir entflechten die Struktur aus Fernsehsendern und einer Vielzahl an Gremien zugunsten kriterienbasierter, automatischer Förderungen und richten unser Augenmerk verstärkt auf die Förderung von Stoffen und Drehbüchern sowie des Nachwuchses. Verbindliche Quoten sorgen dafür, dass Frauen im Film gleiche Chancen haben. Soziale Mindeststandards und faire Verwertungswege verbessern die ökonomische Lage der Filmschaffenden. Ökologische Produktion wird mit finanziellen Anreizen belohnt. Kinos und Festivals unterstützen wir durch verlässliche Förderinstrumente.


Erinnerungskultur stärken und öffnen

Erinnerungskultur trägt entscheidend zur Selbstverständigung und zum Zusammenhalt bei und ist eine grundlegende Voraussetzung für den Schutz unserer Demokratie. Doch noch immer gibt es Leerstellen in der Aufarbeitung der deutschen Verbrechensgeschichte. Der Nationalsozialismus muss weiter konsequent aufgearbeitet werden. Bisher wenig beachtete Opfergruppen wie die sogenannten „Asozialen“, „Berufsverbrecher“ und „Euthanasie“-Opfer wollen wir würdigen und durch eine angemessene Entschädigung anerkennen. Ihre Lebensgeschichten sowie die Tatorte der Morde sollen erforscht und gekennzeichnet werden. Die finanzielle Förderung der Forschungsarbeiten, die Weiterentwicklung der pädagogischen und wissenschaftlichen Arbeit der Gedenkstätten sowie die weitere Aufarbeitung und Rückgabe von NS-Raubkunst stehen im Mittelpunkt. Dazu gehört auch, den weiteren Verpflichtungen gegenüber Ländern, die unter der deutschen Besatzung gelitten haben, nachzukommen. Auch die SED-Diktatur soll durch die Fortsetzung der Forschung und der politischen Bildungsarbeit an den Außenstellen des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen weiter aufgearbeitet werden. Erinnerungsorte an die friedliche Revolution von 1989, die deutsche Wiedervereinigung und die folgenden tiefgreifenden Transformationsprozesse in Ostdeutschland werden wir in Bundesträgerschaft fördern. Auch die regionalen Aufarbeitungsinitiativen wollen wir stärker in ihrer Arbeit unterstützen und setzen uns für unbürokratische und höhere Entschädigungsleistungen für die Opfer und Verfolgten der SED-Diktatur ein. Wir wollen außerdem rechtliche Regelungen für die Rückgabe von Raubkunst der NS- und der DDR- Zeit schaffen. Durch eine zentrale Erinnerungs- und Lernstätte werden wir die Kontinuitäten des Kolonialismus ins Bewusstsein rücken und so eine gesellschaftliche Debatte über unser koloniales Erbe fördern, die eine antirassistische Perspektive auf Geschichte und Gesellschaft ermöglicht. Dazu sind die kritische Aufarbeitung der kolonialen Verbrechen und die Dekolonisierung öffentlicher Räume zentral und es bedarf einer umfänglichen Provenienzforschung, Digitalisierung und transparenten Veröffentlichung sowie verbindlicher Regelungen zur Restitution von Kulturerbe aus kolonialen Kontexten. Das gelingt nur in enger Zusammenarbeit mit den Nachkommen und zivilgesellschaftlichen Initiativen der ehemals Kolonisierten und Geschädigten weltweit. Gleichzeitig muss sich die deutsche Erinnerungskultur für die vielfältigen Erfahrungen und Geschichten der Menschen öffnen, die nach Deutschland eingewandert sind oder deren Geschichte mit der deutschen verwoben ist, und das Gedenkstättenkonzept muss entsprechend weiterentwickelt werden. Wir werden uns auch für eine aktive Erinnerungskultur in allen öffentlichen Institutionen einsetzen.

 

Ein Entwicklungsplan für den Sport

Im Sport, dem größten Träger der organisierten Zivilgesellschaft und des freiwilligen Engagements, werden täglich demokratische Werte wie Gemeinsamkeit, Toleranz, Integration, Inklusion, Engagement und Gesundheitsprävention gelebt und vermittelt. Damit übernimmt der Sport eine herausragende Rolle für das gesellschaftliche Zusammenleben. Dies werden wir fördern und bessere Rahmenbedingungen schaffen. Wir setzen uns dafür ein, dass sich die Teilhabe von Frauen im Sport und die Diversität von Sportler*innen und Athlet*innen auch in der Besetzung von Entscheidungsgremien niederschlägt. Wir wollen Ideen und Energien bündeln und zusammen mit den Sportverbänden, Ländern, Kommunen, der Wissenschaft und unter Beteiligung der Bürger*innen einen Entwicklungsplan Sport erarbeiten und umsetzen – ähnlich dem Goldenen Plan aus den 1960ern. Ein besonderer Fokus muss dabei vor allem auf strukturschwachen Regionen, gerade in Ostdeutschland, liegen, denn die Diskrepanz zwischen Ost und West ist beim Breitensport auch 30 Jahre nach der friedlichen Revolution ein Problem. Ausreichend vorhandene und barrierefreie Sportstätten und Bewegungsräume zählen in Städten und ländlichen Räumen zur Daseinsvorsorge, deshalb wollen wir, dass Bewegungs- und Sportflächen in der Wohnungsbaupolitik und Quartiersplanung fest verankert und die bestehenden Anlagen unter Beachtung der energetischen Vorschriften durch die Kommunen saniert werden können. Dazu gehören auch insbesondere Schwimmsportstätten, denn unser Anspruch ist, dass jedes Kind schwimmen lernen kann. Das wollen wir mit einem Bundesprogramm zur Sanierung und Instandsetzung von Schwimmstätten erreichen. Sportgroßveranstaltungen sollen klimaneutral, sozial, nachhaltig und menschenrechtskonform ermöglicht, ihre Kosten transparent dargestellt werden, sodass sie auch einen bleibenden Infrastrukturgewinn für die Bürger*innen vor Ort schaffen. Dafür braucht es eine bundesweit einheitliche und föderal abgestimmte Gesamtstrategie, bei der von Beginn an Bürger*innenbeteiligung Teil der Planung ist. Das Prinzip Prävention ist die beste Vorsorge, daher wollen wir für alle zugängliche öffentliche Bewegungsräume unterstützen, die es auch Menschen mit einem geringen Einkommen ermöglichen, Sport zu betreiben. E-Sport ist längst kein Nischenthema mehr und begeistert immer mehr Menschen. Wir wollen neue Wege in Sport- und Jugendvereinen ermöglichen – mit der Anerkennung der Gemeinnützigkeit für E-Sport stärken wir ehrenamtliches Engagement. Potenziale für Nachwuchsgewinnung in IT- und Kreativwirtschaft wollen wir aktivieren. Die Entwicklungen von E-Sport und Gaming werden wir insbesondere im Hinblick auf Diversität, Nachhaltigkeit, Jugendschutz sowie Medienkompetenz fördern und zusammen mit Gamer*innen, Verbänden und Wissenschaft gestalten; gemeinsam mit allen Akteur*innen stellen wir uns gegen Diskriminierung und Hatespeech.


Spitzensport braucht Breitensport

Ein starker Breitensport braucht Vorbilder. Im Leistungssport muss es um die bestmögliche Förderung von Talenten gehen und nicht allein um die Fixierung auf eine bestimmte Medaillenanzahl. Deshalb wollen wir bei der Förderung des Spitzensports die Bedingungen und Perspektiven für Leistungssportler*innen insbesondere für den Nachwuchs in den Mittelpunkt stellen. Die bisherigen staatlichen Beschäftigungsmöglichkeiten für Leistungssportler*innen werden durch zivile Alternativen ergänzt. Die wichtige soziale und pädagogische Arbeit von Trainer*innen im Ehrenamt und Hauptberuf wollen wir aufwerten. Bei der Doping-Prävention und im Anti-Doping-Kampf stärken wir die NADA und fordern auf internationaler Ebene weitreichende Reformen der WADA, die ihre Aufgaben vollständig unabhängig ausführen und Athlet*innen echte Mitbestimmung ermöglichen muss. Die Dopingvergangenheit gilt es lückenlos aufzuklären, Dopingopfer unterstützen wir angemessen. Auch Korruptionsskandale auf höchster Ebene der Sportfunktionär*innen sowie die zunehmende Kommerzialisierung bedrohen den Spitzensport. Gerade beim Fußball als Publikumssport gilt es die Partizipationsmöglichkeiten von Fans zu erhöhen und ihn wieder stärker gesellschaftlich zu verankern. Deswegen sollen Transparenz und Good Governance auch im Sport vorangetrieben werden. Die Einhaltung von Menschenrechten muss von Sportverbänden auf Grundlage der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte umgesetzt und bei der Vergabe von Sportgroßereignissen zur Voraussetzung gemacht werden. Wir setzen uns für eine nationale Strategie gegen psychische, physische und sexualisierte Gewalt im Sport ein, bei der der Aufbau eines unabhängigen Zentrums für Safe Sport ein integraler Bestandteil ist. Gegen Rechtsextremismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Sport gehen wir mit einem langfristigen finanziell starken Bundesprogramm vor, das von einer unabhängigen Stelle beraten wird. Für die sozialpädagogischen Fußballfanprojekte und deren Koordinationsstelle sichern wir verlässliche Rahmenbedingungen. Wir schützen die Bürger*innenrechte von Fans und diese vor ausufernden Datensammlungen und Kollektivstrafen. Noch immer vorhandene sexistische Strukturen müssen aufgebrochen und Sportstätten gendersensibel geplant werden.

Wir bauen Europa weiter
Die Zukunft der EU demokratisch gestalten

Wir sehen Deutschland in einer zentralen und historischen Verantwortung für den Zusammenhalt und die Fortentwicklung der EU. Zuletzt aber wurde von Berlin aus bestenfalls verwaltet, oftmals gebremst. Wir wollen die Europapolitik aktiv und koordiniert gestalten – mit klarem Wertekompass, entlang einer starken deutsch-französischen Zusammenarbeit und im Zusammenspiel mit unseren europäischen Partner*innen. Unser Ziel ist eine demokratisch gestärkte EU, die zusammenhält, voranschreitet und ihr ganzes Gewicht gegen die Klimakrise und das Artensterben in die Waagschale wirft. Wir stehen ein für ein vereintes Europa ohne Schlagbäume, denn die Freizügigkeit ist eine der größten Errungenschaften des europäischen Projekts. In manchen Bereichen kommen wir nur mit unterschied-
lichen Geschwindigkeiten voran. Die verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen der Verträge bietet dafür gute Möglichkeiten und muss stets im Bestreben, dass sich letztlich alle anschließen können, und mit vollen Parlamentsrechten erfolgen. Die Weiterentwicklung europäischer Institutionen steht für uns in engem Zusammenhang mit dem Ausbau des sozialen Zusammenhalts in der EU. In den kommenden Monaten bietet die „Konferenz über die Zukunft Europas“ eine große Chance, die europäische Öffentlichkeit zu stärken und gemeinschaftlich mit den Bürger*innen Reformen der EU zu entwickeln. Wir wollen sie nutzen für die nächste Phase der europäischen Integration auf dem Weg zur Föderalen Europäischen Republik und um europäische Antworten auf die großen Herausforderungen zu formulieren. Die Ergebnisse der Konferenz sollen im Rahmen der europäischen Gesetzgebung bis hin zu Vertragsänderungen umgesetzt werden.


Europäisches Parlament stärken

Die Geschichte der EU ist eine Geschichte zunehmender Legitimität der europäischen Institutionen. Unser Ziel ist, die parlamentarische Demokratie der Europäischen Union zu stärken: mit einem Parlament, das in allen Bereichen gleichberechtigt mit dem Rat entscheidet, ein vollwertiges Initiativrecht für die Gesetzgebung und ein starkes Haushaltsrecht erhält. Es soll die Kommission auf Vorschlag der Kommissions-Präsident*in wählen sowie durch ein konstruktives Misstrauensvotum entlassen können. Für die Wahlen zum Europäischen Parlament setzen wir uns dafür ein, dass die Bürger*innen mit ihrer Stimme für einen Spitzenkandidaten bzw. eine Spitzenkandidatin der Parteien auch die/den nächste*n Präsident*in der EU-Kommission bestimmen. Ein Teil der Abgeordneten soll zukünftig nicht mehr über viele nationale Listen ins Europaparlament einziehen, sondern über EU-weite, transnationale Listen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Unionsbürger*innenschaft zu einer europäischen Staatsbürger*innenschaft fortentwickelt wird, sodass Unionsbürger*innen in den Mitgliedstaaten, in denen sie leben, dieselben Rechte und Pflichten genießen. Wir wollen, dass alle EU-Bürger*innen, die ihren dauerhaften Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, nicht nur bei Kommunal- und Europawahlen, sondern perspektivisch auch bei Landtags- und Bundestagswahlen wählen dürfen.


Mit Mehrheitsentscheidungen Blockaden auflösen

Die Europäische Union braucht mehr Handlungsfähigkeit, um auf Augenhöhe mit den heutigen Herausforderungen voranzukommen. Blockaden durch einzelne Staaten in Bereichen wie der Außen- und Sicherheitspolitik und in Steuerfragen oder auch bei Energie und Sozialem können wir uns nicht länger leisten. Solange nationale Einzelinteressen das europäische Gemeinwohl ausbremsen können, wird die EU keine aktivere Rolle, etwa für mehr Steuergegechtigkeit oder mehr Verantwortung für Demokratie und Menschenrechte in der Welt, übernehmen können. Darum setzen wir uns dafür ein, für alle verbleibenden Politikbereiche, in denen heute noch im Einstimmigkeitsprinzip entschieden wird, Mehrheitsentscheidungen in Mitentscheidung des Europäischen Parlaments einzuführen. Das ist auch deshalb wichtig, um bei weiteren Erweiterungsrunden der EU deren Handlungsfähigkeit zu sichern. Unser Ziel ist es, die europäischen Institutionen zu einem Zweikammersystem weiterzuentwickeln


Ein europäisches Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht

Zum europäischen Gemeinwesen gehört das Zusammenwachsen der Zivilgesellschaften. Deshalb setzen wir uns für ein EU-weites Vereins- und Gemeinnützigkeitsrecht ein. Ein europäischer Vereinsstatus mit klaren Regeln zu Gründung, Gemeinnützigkeit und Auflösung würde Vereine dem Schutz der EU unterstellen und nationaler Willkür entziehen. Zudem wollen wir die Europäische Bürger*inneninitiative als zentrales Instrument der Teilhabe der Bürger*innen und der Zivilgesellschaft stärken. So sollen Bürger*innen die Einberufung von Europäischen Zukunftskonferenzen oder Bürger*innenräten fordern können, von denen auch eine Reform der Verträge angeregt werden kann. ist eine Bürger*inneninitiative erfolgreich, sollte spätestens nach einem Jahr und einer Prüfung auf Vereinbarkeit mit
den EU-Grundrechten ein Gesetzesvorschlag folgen und im Europaparlament eine Plenumsabstimmung über das Ziel der Initiative stattfinden.


Einflussnahme auf EU-Gesetzgebung transparent machen

Mehr Transparenz stärkt die europäische Demokratie und das Vertrauen der Bürger*innen in Politik. Um nachvollziehbar zu machen, wofür die Regierungen der Mitgliedstaaten in Brüssel eintreten, setzen wir uns für Fristen im Rahmen der Gesetzgebung ein, bis zu denen eine öffentliche Debatte im Rat stattgefunden haben muss. Dabei müssen alle Regierungen ihre aktuelle Position zum Vorschlag der Ratspräsidentschaft vorlegen. In einer deutschen Bundesregierung gehen wir hierbei mit gutem Beispiel voran. Auch den Zugang zu EU-Dokumenten wollen wir substanziell weiterentwickeln. Die EU arbeitet bei Interessensvertreter*innen bereits transparenter als der Bundestag. Wir wollen weitere Schritte gehen – mit einem verbindlichen Lobbyregister für alle EU-Institutionen, strikteren
Karenzzeiten beim Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft und einem „legislativen Fußabdruck“, durch den die Einflussnahme auf Gesetzgebung überprüfbarer wird, kontrolliert durch eine unabhängige Ethikbehörde, die Sanktionen verhängen kann.


Europäische Grundrechte einklagbar machen

Die EU ist eine Gemeinschaft der Werte und des Rechts. Wir wollen die EU-Grundrechtecharta langfristig gegenüber den Nationalstaaten einklagbar machen, um so alle EU-Bürger*innen in ihren Rechten zu stärken. Mit dem EU-Mechanismus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte setzen wir uns für ein stärkeres Instrument ein, um Verstöße autoritärer Mitgliedstaaten zu sanktionieren. Aus dem jährlichen Rechtsstaatlichkeitsbericht sollen konkrete Maßnahmen bis hin zu Vertragsverletzungsverfahren und der Nichtauszahlung von Subventionen folgen. Der neu geschaffene Rechtsstaatsmechanismus muss sofort zum Einsatz kommen. Kommunen und Regionen sowie Nichtregierungsorganisationen sollen dann direkt von der EU gefördert werden können. Bei den Artikel-7-Verfahren zur Rechtsstaatlichkeit braucht es substanzielle Fortschritte. Alle Mitgliedstaaten sollen sich der Europäischen Staatsanwaltschaft anschließen, wenn sie neue EU-Gelder erhalten wollen und öffentlich Rechenschaft über die Empfänger*innen von Subventionen ablegen. Jede*r siebte Europäer*in ist Teil einer nationalen oder Sprachminderheit. Wir unterstützen die Minority SafePack Initiative und wollen Minderheitenrechte wie den Erhalt von Sprache, Kultur und Identität sowie Namensführung in der EU stärken.


Eine öffentlich-rechtliche Medienplattform in Europa

Ein zusammenwachsendes Europa braucht eigene, öffentliche digitale Orte, an denen seine Bürger*innen zusammenkommen können, um sich zu informieren, zu partizipieren, sich zu unterhalten und politisch zu diskutieren. Dafür kommen bislang nur kommerziell betriebene, digitale Plattformen in Frage. Als zeitgemäße Antwort setzen wir uns darum für eine europäische, digitale Plattform in öffentlicher Trägerschaft ein. Sie bündelt europaweit qualitativ hochwertige Inhalte – werbefrei, offen und mehrsprachig. Basierend auf technischer Offenheit, Interoperabilität und besten Datenschutzstandards kann sie darüber hinaus gerade auch für die Zivilgesellschaft und Bildungseinrichtungen als Kommunikationsplattform dienen, um Inhalte bereitzustellen und in Informationskampagnen die EU den Bürger*innen näherzubringen. Die Grundlage bildet ein öffentlich-rechtlicher Auftrag. Sie arbeitet zusammen mit den nationalen öffentlichen Rundfunkanstalten, um deren Inhalte europaweit zugänglich zu machen, und agiert frei von jedweder politischer Einflussnahme.


Europa der Kommunen und Regionen

Eine demokratische, vielfältige und bürger*innennahe EU lebt von der Stärke der Kommunen und Regionen. Getreu dem Subsidiaritätsprinzip soll die EU da unterstützen, wo Kommunen an ihre Grenzen stoßen – aber nicht jeden Lebensbereich regulieren. Die Wettbewerbsregeln des Binnenmarkts dürfen Kommunen nicht zur Privatisierung öffentlicher Güter zwingen. In EU- Handelsabkommen braucht es Ausnahmen für die kommunale Daseinsvorsorge sowie für öffentliche und soziale Dienstleistungen. Für mehr europaweite Kooperation wollen wir Städtepartnerschaften stärken, INTERREG-Programme für grenzüberschreitende Zusammenarbeit ausweiten und Euregios und Eurodistrikte durch weniger Bürokratie und mehr Flexibilität fördern. Die europäische Zusammenarbeit im Hochschulbereich wollen wir stärken und in diesem Sinne das Konzept der European Universities weiterentwickeln. Kommunen und Regionen brauchen mehr Mitsprache auf europäischer Ebene, unter anderem über einen gestärkten Ausschuss der Regionen. Zur Umsetzung des Green Deal und bei der Gestaltung und Vergabe von Förderprogrammen setzen wir auf das Partnerschaftsprinzip und unterstützen lokale kleine und mittelständische Unternehmen dabei, ihren Beitrag zu leisten. Bürokratie wollen wir durch verstärkte Digitalisierung abbauen. EU-Haushaltsmittel sollen künftig auch verstärkt kommunalen und lokalen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen direkt bereitgestellt werden.

 

Das Wahlprogramm zum Nachlesen 

Vorwort: Eine Einladung

Kapitel 1: Lebensgrundlagen schützen

Kapitel 2: In die Zukunft wirtschaften

Kapitel 3: Solidarität sichern

Kapitel 4: Bildung und Forschung ermöglichen

Kapitel 5: Zusammen leben

Kapitel 6: International zusammenarbeiten

Nachwort: Regieren auf Augenhöhe mit der Zukunft

 

Hier kannst Du das Bundestagswahlprogramm downloaden

Wahlprogramm als PDF

Das Wahlprogramm „Kurz und knapp“ als PDF