Rede zum Haushalt 2023

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Rede zum Nachtragshaushalt 2023 in der 16. Kreistagssitzung am 15.05.2023, gehalten von Martina Klement, Bündnis 90/ Die Grünen, Fraktionsvorsitzende und Mitglied des Kreistages. Die Sitzung wurde aufgezeichnet und auf Youtube veröffentlicht. 

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren!

 

die letzte Haushaltsrede habe ich am 06.12.2021 gehalten. Fast 1,5 Jahre ist das her. Seitdem ist eine ganze Menge passiert und unsere Welt ist mehrfach auf den Kopf gestellt worden. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine lösten eine Energiekrise, eine Wirtschaftskrise, eine Flüchtlingskrise und eine seit Jahren unbekannte Inflation aus. Alles Dinge, die auf unseren Haushalt einen erheblichen Einfluss haben. Und wir in jeder Beziehung gefordert.

Wir haben´s hingekriegt. Wir sind trotz all dieser Herausforderungen gut durch das vergangene Jahr gekommen.

Um die dramatische Abhängigkeit vom russischen Gas abzuschwächen, hat der KA durchaus unpopuläre Energiesparmaßnahmen beschlossen und die Sportler in den kreiseigenen Hallen während der Sommermonate sogar kalt duschen lassen. Die CDU war empört, aber die Sportler haben es hingenommen, weil sie wussten, worum es ging. Und bundesweit fand das Sparmodell sogar Nachahmer.

Die kalten Duschen im Sommer haben uns 510 Tonnen CO2 und 95.000 € gespart! Das ist eine ganze Menge mit wenig Aufwand. Wir Grüne fragen uns: Warum wird es nicht beibehalten? Warum trifft Herr Esch eine einsame Entscheidung, dass die Duschen in diesem Sommer warm bleiben sollen? Nach wie vor gibt es einen Ukrainekrieg, eine Energienotlage und eine Klimakrise. Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom April 2021 klar gefordert, dass alle mehr für den Klimaschutz tun müssen und klar gesagt, dass die Ausrede, dass wir allein die Welt nicht retten können, nicht gilt. Wir Grüne hätten das einfache Sparmodell „kalte Duschen“ gerne beibehalten.

Im vergangenen Jahr hat sich die Wirtschaft als sehr robust erwiesen und steht im Vergleich zu anderen Landkreisen sogar besser da. Steuereinnahmen entwickelten sich nach oben.

Die hohen Steuereinnahmen führen nun dazu, dass die Grundlagen für die Kreisumlage um mehr als 33 Mio. € gestiegen sind. Das hätte bei einem unveränderten Umlagesatz zu einer Erhöhung der Kreisumlage um 11,8 Mio. € geführt! Darauf verzichten wir – und da muss ich schon sagen großmütig – wir senken den Hebesatz um 2,8 %. Eine sehr deutliche Entlastung für die Kommunen! Der Kreis trägt die Kostensteigerungen per Saldo allein und das führt zu einem Anstieg des Fehlbetrags um 6,5 Mio. €. Der ursprünglich geplante Fehlbetrag für 2023 ist nun mehr als 6x höher als geplant. Das ist schlicht großzügig gegenüber den Kommunen und Forderung der Opposition nach einer weiteren Senkung der Kreisumlage können nur als unseriös bezeichnet werden.

Aber es gibt noch andere Wünsche der Opposition. Am vergangenen Donnerstag wurden uns in der HFWO-Sitzung 7 Änderungsanträge von der CDU kopierwarm vorgelegt! Begründung: Die Osterferien ließen eine Fraktionssitzung erst am 10. Mai zu. Also wir Grüne hatten unsere Fraktionssitzung zum Haushalt bereits am 18. April. – Im Gegensatz zu den Vorjahren hat man immerhin mal weitgehend neue Anträge vorgelegt. Aber gerade da hätte man Zeit gebraucht, um sich mit den Anträgen genauer zu beschäftigen. So empfiehlt der HFWO bei einigen Anträgen, sie im Geschäftsgang zu belassen und die Antragsteller waren einverstanden.

Absolut abenteuerlich finde ich mittlerweile den Parkhauswahn in Wetzlar. Wetzlar ist nicht nur Goethestadt und Optikstadt. Wetzlar ist auch die Stadt der Parkhäuser. Überall sprießen sie wie Pilze aus dem Boden.

Seit Jahren weisen wir Grüne darauf hin, dass die Stellplatzsatzung von Wetzlar im Vergleich zu anderen Städten ein Überkontingent an Stellplätzen fordert. Den Kreis betrifft das vor allem als Schulträger.

Beispiel:

Stellplätze für Oberstufenschüler über 18 Jahre

Wetzlar: 1 Stellplatz je 2 Schüler

Gießen: 1 Stellplatz je 5 Schüler

Marburg: 1 Stellplatz je 10 Schüler

Die neue Stadtkoalition hat sich deshalb auch eine Überarbeitung der Stellplatzsatzung in den Koalitionsvertrag geschrieben, aber getan hat sich noch nichts. So leiden wir weiterhin als Kreis und als Schulträger unter den maßlosen Forderungen.

Ganz deutlich wird das an den Parkplätzen für die Theodor-Heuss-Schule. Ein überdimensioniertes und ganz nebenbei auch häßliches Parkhaus wird von einem privaten Investor mit abenteuerlichen 13 Ebenen hochgezogen und wir mieten fast die Hälfte der Plätze an, um die Stellplatzsatzung der Stadt Wetzlar erfüllen zu können. Wir binden uns mit einem 30 jährigen Mietvertrag, der uns 9,83 Mio. Euro kosten wird.

2 Millionen davon werden jetzt schon mal fällig – als Abstandszahlung. Die übrigen 7,83 Mio. verteilen sich auf 30 Jahre. Laufende Miete von 75,00 € pro Monat für jeden einzelnen Stellplatz! Völlig unabhängig davon, ob er tatsächlich belegt wird oder eben nicht. Für den langen Schulferien zahlen wir natürlich auch. Für die Wochenenden ebenfalls.

Und jetzt hören Sie mal ganz genau zu: Hätte Wetzlar eine Stellplatzsatzung wie in Gießen oder in Marburg, dann bräuchten wir gar kein Parkhaus. Dann würden die ebenerdigen Stellplätze reichen, der Platz wäre nicht verschandelt und der Kreis würde 10 Mio. sparen. Es wundert mich, dass es dazu keine einzige kritische Stellungnahme der Städte und Gemeinden gibt!

Ich hätte diese Schule nicht gebaut, solange es diese unsägliche Stellplatzsatzung gibt.

Aber man könnte ja zumindest Parkgebühren einführen. Will man aber nicht. Warum eigentlich? Lehrer und Schüler sollten nichts zahlen! Freiparken im LDK. Wie bei Monopoly. Das muss man nicht verstehen und wir Grüne können das auch nicht verstehen. Jeder Mitarbeiter, jede Mitarbeiterin aus der Kreisverwaltung muss für seinen/ihren Stellplatz zahlen. Für unsere Schulen gilt das nicht. Und das obwohl die Lehrer und Lehrerinnen ein kostenloses Jobticket haben und obwohl sie – Zitat eines Lehrers – fürstlich bezahlt werden. Und für die armen Schüler und Schülerinnen hält selbst die KreisschülerInnenvertretung eine Parkgebühr von 2,00 €/Tag für vertreterbar. All das interessiert uns nicht. Freiparken geht leichter und die Kommunen zahlen die Zeche. Es wundert mich, dass es auch hier keine einzige kritische Stellungnahme der Städte und Gemeinden gibt.

Da liegt doch einiges im Argen:

Schulstandorte weit weg vom Bahnhof!

In Bahnhofsnähe findet man Ikea, das Forum, die Buderus-Arena, aber keine Schule – einfach falsch.

Unzureichendes Angebot der Stadt Wetzlar zur Schülerbeförderung!

Im Nachbarkreis werden Reisebusse eingesetzt um Engpässe zu vermeiden – in Wetzlar: Fehlanzeige

Es gibt Schüler und Schülerinnen, die würden den ÖPNV nutzen, wenn sie die Chance hätten, damit pünktlich zur Schule zu kommen!

Da muss doch alles dafür getan werden, damit der ÖPNV auch bereitsteht.

Alles andere ist unsozial und kontraproduktiv für Verkehrswende

Mittlerweile haben viele Städte erkannt, wie attraktiv und entspannt sie werden, wenn der überbordende Autoverkehr deutlich reduziert wird. Wenn Radwege und Grünflächen entstehen. Ich hoffe sehr, dass diese Erkenntnisse gerade in Wetzlar mal ankommen. Mit einer Verkehrswende wird den Menschen nichts weggenommen. Ganz im Gegenteil.

Natürlich sind wir hier nicht für die Stadtpolitik von Wetzlar verantwortlich, aber die Probleme müssen angesprochen werden und hier im Kreistag sitzen ja auch einige, die in Wetzlar Politik machen. Da muss man doch etwas bewegen können!

Stadt- und Kreispolitik müssen viel stärker zusammenarbeiten. Die einseitige Aussage, wir sind da nicht zuständig, mag zutreffen, aber wir kommen damit nicht weiter. An den Stellen, an den wir nicht zuständig sind, müssen wir in ein konstruktives Gespräch kommen, wenn wir Dinge zum Besseren bewegen können.

Und das gilt meines Erachtens für alle Bereiche. Flüchtlingspolitik, Klimapolitik, Bildungspolitik, Verkehrspolitik, Sozialpolitik. Es muss eine konstruktive Kommunikation zwischen allen Ebenen stattfinden.

Beispiel Flüchtlingspolitik:

Politik wird hier von mir vor allem als Schuldzuweisung an den anderen wahrgenommen. Die anderen liefern zu wenig. Zu wenig Geld, zu wenig Deutschkurse, zu lange Asylverfahren, zu wenig Abschiebung, unkontrollierter Zuzug, ungerechte Verteilung, Flüchtlinge, die nicht arbeiten dürfen, Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften usw. usw.

Die Herausforderungen sind gewaltig und sie werden zunehmen. Flüchtlingspolitik muss so gestaltet und kommuniziert werden, dass die Mitte der Gesellschaft sie trägt. Das ist schwer. Und da hilft es gerade nicht, mit dem Finger auf die anderen zeigen und deren Defizite anzuprangern.

Sehr beeindruckt hat mich da der Bericht der Leiterin der Ausländerbehörde des LDK Frau Anna Neeb. Trotz der unfassbar umfangreichen und herausfordernden Arbeit, die dort geleistet werden muss, hat man offensichtlich ein gutes Arbeitsklima. Es gibt sogar Erfolgserlebnisse, die die Arbeit erfüllend werden lassen. Das ist wenig bekannt und die Behörde hat leider ein relativ schlechtes Image. Auf Stellenausschreibungen kommen nur wenige oder sogar keine Bewerbungen. Schade, denn gerade dort werden Mitarbeiter*Innen dringend gebraucht. Ich hoffe sehr, dass die offenen Stellen dort bald besetzt werden können.

Konstruktive Kommunikation brauchen wir vor allem bei der größten Herausforderung unserer Zeit: Beim Klimaschutz! Da wird immer so getan, als ob das nur ein Hobby der Grünen wäre, Ideologie. Das ist schlicht falsch. Es geht hier nicht um uns Grüne. Es geht auch nicht um die Interessen von irgendwelchen Naturliebhabern. Es geht schlicht um unsere Lebensgrundlage! Mittlerweile sterben Menschen aufgrund des Klimawandels. Nicht nur in Afrika oder sonst wo, sondern auch hier bei uns in Europa und auch in Deutschland. Die Überschwemmungskatastrophe im Ahrtal ist nur 1 Beispiel.

Klimaschutz ist kein nice to have. Klimaschutz ist ein must have. Es reicht nicht, einfach nur Klimaziele zu formulieren. Wir müssen den Weg dahin auch planen und gehen. Sonst werden wir nicht ankommen.

Da müssen wir doch alle gemeinsam dran arbeiten und maximale Leistung bringen. Ein schlechtes Beispiel ist gerade das geplante Gesetz zum Heizungswechsel. Das geht alles nicht, das überfordert uns, Enteignung, Bevormundung, die haben von Physik keine Ahnung, ideologiegetrieben – aber kein einziger Verbesserungsvorschlag. Wir brauchen das Gesetz und natürlich muss es sozialverträglich gestaltet werden. Aussagen wie „wir setzen auf den Markt“ oder „wir setzen auf die Forschung“ sind definitiv keine seriösen Verbesserungsvorschläge. Denn von sich aus wird es der Markt nicht richten. Das haben wir in den letzten Jahrzehnten erlebt. Das Heizungsgesetz wird den Markt beleben und es wird die Forschung beleben. Und das ist notwendig. Denn uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Es ist zu viel verschlafen worden. Klimaschutz wird es nicht zum Nulltarif geben! Aber nichts zu tun, wird teurer und schmerzhafter.

Klimaschutz will ja mittlerweile eigentlich jeder, aber den Menschen ist nicht klar, was das heißt. Den Weg dahin, den müssen wir finden und dann auch gehen und da wird es auch Dinge geben, die uns wehtun. Und es wird nicht funktionieren, wenn Klimapolitik nicht in der Mitte der Gesellschaft ankommt und von ihr getragen wird.

In meiner letzten Haushaltsrede habe ich eine vorausschauende Politik gefordert. Und das gilt mehr denn je.

Eine Politik, die nur bis zur nächsten Wahl denkt, hilft uns nicht weiter.

Eine Politik, die nur eine bestimmte Klientel bedient, hilft uns ebenfalls nicht weiter.

Wir müssen innehalten und uns den Zukunftsfragen stellen.

Es muss ein Denken im Prozess stattfinden.

Einfache Lösungen wird es nicht geben. Lösungen müssen gesucht und entwickelt werden.

Wir brauchen ein Nachdenken in den Parteien und zwischen den Parteien.

Da können wir direkt hier bei uns im Kreis anfangen.

Ich begrüße es sehr, dass für die großen Schulbauprojekte KKS und Fröbelschule nun Arbeitsgruppen geplant sind. In diesen Arbeitsgruppen können Lösungen entwickelt werden.

Die Arbeitsgruppe zum Bau der Goetheschule hat gezeigt, wie gut das funktionieren kann. Sehr begrenzte Haushaltsmittel zwangen zur Sparsamkeit. Verwaltung, Schule und Architekten haben eng und sehr gut zusammengearbeitet. Frau Weber, die Leiterin der Schulbauabteilung, konnte am Tag der Einweihung der Goetheschule ihrer Abteilung sagen: „Ich bin stolz auf euch.“ Genau das wünsche ich mir auch für die Käthe-Kollwitz-Schule und die Fröbelschule.

Die nächsten Jahre werden nicht einfacher. Die Inflation treibt die Kosten weiter in die Höhe. Der neue Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst wird als teuerster Abschluss aller Zeiten bezeichnet. Die Zinsbelastung wird nun auch wieder ein Thema werden.

Der demografische Wandel wird ein echtes Thema.

Die Fachkräftemangel. Händeringend wird jetzt schon nach Fachkräften gesucht.

Usw. usw.

 

Zum Abschluss noch ein Dank an alle, die den Laden hier am Laufen halten.

 

Wir werden diesem Haushalt zustimmen.

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