Arbeitsmarkt im Lahn-Dill-Kreis

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Rede bezüglich des Arbeitsmarktberichts im Lahn-Dill-Kreis in der 16. Kreistagssitzung am 16.04.2018 gehalten von Martina Klement, Fraktionsvorsitzende B’90/Grüne, Mitglied des Kreistages.

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Damen und Herren!

Unser Koalitionsantrag vom 24.08.2017 ist mit dem vorliegenden Bericht sehr systematisch abgearbeitet worden.

Ähnlich wie beim Bildungsbericht wird sich auch hier auf die sozialversicherungspflichtig Beschäftigen beschränkt. Die Selbständigen (wie Handwerker und andere Gewerbetreibende oder Freiberufler) fehlen oder tauchen allenfalls im Kapitel Verbesserung der Gründerdynamik auf. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Bildungsurlaub, Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit – oft aus Steuermitteln finanziert – das alles geht an den Selbstständigen vorbei. Das führt dann auch zu einer Entwicklung, dass Freiberufler nicht mehr selbständig arbeiten wollen, sondern ein Angestelltenverhältnis bevorzugen. Beim Landärztemangel wird das ganz deutlich.

Der Bürgermeister von Dietzhölztal ist in einem Handwerkerhaushalt aufgewachsen. Seine Eltern gaben ihm auf den Weg, lern was Ordentliches. Handwerker ist er nicht geworden. Handwerk hatte mal einen goldenen Boden. Das hat sich gewaltig geändert. Unternehmerrisiko, hoher Arbeitseinsatz, zahlreiche Vorschriften, überbordende Bürokratie – all das führt dazu, dass sich immer weniger Menschen selbständig machen wollen. Angestellte Handwerker gibt es schwerlich. In der Industrie wird mehr verdient. Aber wir brauchen Handwerker. Für diesen Berufsstand muss dringend mehr getan werden!

Darüberhinaus der Fachkräftemangel im Lebensmittel- und Gastronomiebereich, insbesondere die Discounter sorgen hier für einen Preisverfall. Gerade die Deutschen wollen für Lebensmittel nicht viel Geld ausgeben. Wir investieren lieber in Haus und Auto als in gutes Essen. Eigentlich völlig pervers. Unsere Nachbarn in Frankreich machen das besser. Im Lebensmittel- und Gastronomiebereich lässt sich bei einer Geiz-ist-geil-Mentalität der Konsumenten natürlich auch nicht viel Geld verdienen. Der Fachkräftemangel ist hier programmiert. Wir müssen dringend zu einer anderen Wertschätzung im Lebensmittelbereich kommen.

Das zweite Feld, dem ich mich widmen möchte: Die Erhöhung der Frauenerwerbsquote. Unsere Gesellschaft ist im Umbruch. Kindererziehung und Pflege stehen nicht mehr in alleiniger Verantwortung von Frauen. Und das ist gut so. Aber es ist in den Köpfen der Menschen auch noch nicht so ganz angekommen, wird von einigen sogar abgelehnt. Das Umdenken ist wichtig, der Umbruch ist gut und in Gang gesetzt und sollte weiter fortschreiten. Das traditionelle Familienbild, zu dem die AFD zurück will, teilen wir ausdrücklich nicht!

Der uns vorliegende Arbeitsmarktbericht bestätigt uns in diesem Punkt. Auf Seite 12 wird die Studie der Gesellschaft für angewandte Kommunalforschung in Marburg aus 2014 erwähnt. Dort lesen wir: Nicht berufstätige Mütter wären lieber berufstätig. Berufstätige Mütter wurde gerne ihre Arbeitsstunden erhöhen.

Wie kann das Umdenken zu Emanzipation und Gleichberechtigung gefördert werden?Frauen müssen für „Männerberufe“ interessiert werden. (Der Girls-Day geht bereits in diese Richtung.) Es ist einfach erschreckend, wenn als häufigster Berufswunsch von Mädchen „Verkäuferin“ geäußert wird. Die Erhöhung der Frauenerwerbsquote setzt auch voraus, dass eine gute (öffentliche) Kinderbetreuung zur Verfügung steht. Da können wir lesen: Beitragsfreie Kindertagesplätze erhöhen kaum die Frauenerwerbsquote. Sinnvoller ist es, die Kita-Gebühren nach Haushaltseinkommen zu staffeln und die Mittel in die Betreuungsqualität zu investieren (S. 13). In unserer Nachbarstadt Gießen wird das seit Jahren von der grünen Bürgermeisterin Frau Gerda Weigel-Greilich umgesetzt. Die nun auf Landesebene initiierte Neuregelung der Finanzierung der Kinderbetreuung wurde von ihr bereits in eine neue Gebührenordnung eingearbeitet. Alle Kommunen, die hier im Lahn-Dill-Kreis noch im Dunkeln tappen (ich denke hier an Herborn und Sinn), können sich dort ja Anregungen holen.

Abschließend möchte ich noch folgenden Satz aus dem Arbeitsmarktbericht (S. 12) zitieren: „Um Erwerbsbeteiligung zu fördern, sind auf übergeordneter gesetzlicher Ebene Fehlanreize etwa durch Ehegattensplitting oder Minijob zu ändern“ (Stellungnahme des Frauenbüros zum Arbeitsmarkt im LDK vom 26.09.2018).

Damit ist der uns vorliegende Arbeitsmarktbericht sehr mutig und fortschrittlich.

Vielen Dank

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