Rede zu Politischer Bildung

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Rede zur Politischen Bildung (Antrag der AfD), in der 14. Kreistagssitzung am 06.02.2023, gehalten von Sebastian Brockhoff, Bündnis 90/ Die Grünen, Mitglied des Kreistages. Die Sitzung wurde aufgezeichnet und auf Youtube veröffentlicht. 

 

Lieber Herr Vorsitzender, Liebe Kolleg:innen, Liebe Gäste,

als ich ihren Antrag gelesen habe, musste ich mich tatsächlich erst mal ganz kräftig schütteln.

Ich fasse noch mal zusammen, was dieser Antrag verlangt: Unser Kreisausschuss soll ein Gesamtkonzept für die politische Bildung an Schulen entwickeln. Ein Gesamtkonzept für politische Bildung an Schulen.

Sie haben gerade ganz viel gesprochen. Sie haben den Demokratiebus angesprochen. Sie hatten die Schlagworte „Propaganda“, „Indoktrination“, „die linksgrüne Märchenwelt oder Ideologie“. Und haben irgendetwas von „Grundlagen von Demokratie“ gesprochen. Eine der zentralen Grundlagen unserer Demokratie sollte es – glaube ich –  schon sein, dass wir unsere Fakten erst mal klären und unsre Fakten erst mal klar bekommen.

Ihrem Antrag können wir doch im Ansatz nicht zustimmen, liebe Kolleg:innen.

Dieser Antrag – ich habe mich gefragt als Powi-Lehrer – wie weit von Recht, Gesetz und Moral kann denn ein Antrag überhaupt sein, um die eigene Ideologie durchdrücken zu wollen?

Es kann kein Gesamtkonzept unseres Kreisausschusses für die Politische Bildung an unseren Schulen geben. Das ist nicht möglich!

Und jetzt kommen wir zu unseren Fakten. Dafür ist einzig und allein – und hier zitiere ich das schon erwähnte hessische Schulgesetz, nämlich Paragraph 4 – das Land Hessen zuständig, das so was erstellt. Vielleicht haben Sie das schon mal gehört: Currikula? In Curricula und Lehrplänen werden Sachen erstellt, in denen Inhalte z. B. zu politischer Bildung dargestellt werden. Das gibt es für alle Fächer. Das gibt es für alle Schulformen und immer unterschiedlichen Curricularen.

Allen gemein ist es: Sie werden weitgehend unabhängig von Expert:innen und Lehrkräften erstellt und sie sind jeweils öffentlich zugänglich. Wir können die einfach alle runterladen. Wir müssen kein neues Konzept erstellen. Das hessische Kultusministerium stellt die alle zur Verfügung. Diese Expert:innen sind eben nicht nur Lehrkräfte sondern auch Wissenschaftler:innen ihres jeweiligen Faches.

Und Sie werden es kaum glauben: Politikwissenschaft ist eine Wissenschaft. Die Didaktik der Politischen Bildung ist eine Wissenschaft. Allein in Hessen haben wir mindestens vier Professuren. Das hat mich keine drei Minuten gekostet das rauszufinden. Dafür – bei allem Respekt vor unsrem Kreisausschuss – brauchen wir nicht unsren Kreisausschuss. Das ist nicht ihre Aufgabe! Das soll der auch gar nicht können – der hat anderen Aufgaben.

Wir hatten in Deutschland einen wahnsinnig langen Weg für eine unabhängige politische Bildung. Nicht an einer einzigen Stelle war unser Kreisausschuss beteiligt. Bitte lassen Sie das uns beibehalten. Wir können jetzt hier Schlagworte „erstes Semester Politikdidaktik“, „Re-education“, „Didaktische Wende der 1970er Jahre“, „Pisa-Studie: Die Einführung der Bildungsstandards“ erwähnen. Das erspare ich Ihnen alles: Denn Fakten interessieren Sie nicht!

Wir werden keinem Antrag zustimmen, in dem wir unsrem Kreisausschuss auffordern in die politische Bildung, in die Schulen, in die Inhalte der Schulen einzugreifen.

Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit.

 

 

Es gilt das gesprochene Wort.

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