Mehr technische Fachkräfte und Ingenieur*innen braucht Mittelhessen

Hessische Wissenschafts- und Kunstministerin Angela Dorn in Wetzlar und Herborn

„Auf das absolute Erfolgsmodell der THM Mittelhessen – das Studium Plus – werde ich bundesweit angesprochen“, berichtet Angela Dorn, Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, anerkennend. Sie hat am vergangenen Freitag, 22.07.22, in Wetzlar an einer Sitzung des Fachkuratoriums Ingenieurswesen des Studium Plus der THM teilgenommen. Trotz der hohen Akzeptanz des Modells, das Theorie und Praxis direkt während des Studiums miteinander verbindet, bleibt ausreichend Nachwuchs aus, was zu einem Mangel an Ingenieur*innen führt. Gleiches gilt auch für die technischen Berufe insgesamt; der allgemeine Fachkräftemangel ist ein Problem. „Beschäftigungs- und Verdienstmöglichkeiten sind heute mit den meisten qualifizierten Ausbildungen gesichert und damit keine entscheidenden Argumente mehr für ein schwieriges Ingenieurstudium. Studienanfänger und Berufseinsteiger wollen etwas „Sinnvolles“ machen. In den Bewerbungsgesprächen wird gefragt, was das Unternehmen in punkto Klimaschutz und Energiewende tun kann. Viele Bewerber suchen eine Arbeit, mit der sie einen Beitrag dazu leisten können“, so Dr. Martin Lang, Sprecher des Kuratoriums.

An der nachfolgenden lebhaften Diskussion nahmen neben der Ministerin und den Kuratoriumsmitgliedern, die sich aus Vertretern der THM sowie verschiedener mittelhessischer Unternehmen zusammensetzen, auch der Präsident der THM, Prof. Dr. Matthias Willems und der Leiter des Studiums Plus, Prof. Dr. Jens Minnert teil sowie die Sprecherin des Kreisverbands von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Dr. Dorothea Gillert-Marien, und Andrea Biermann aus der GRÜNEN Kreistagsfraktion.

Im Mittelpunkt standen Überlegungen, was getan werden kann, um die Attraktivität des Studiums zu verbessern – auch für Frauen, denn der Anteil der Frauen in technischen Berufen insgesamt, aber auch speziell in den Ingenieursberufen ist viel geringer als der der Männer und damit zu gering.

„Wie können wir die Motivationslage der jungen Menschen nutzen, um zu zeigen, dass Ingenieurstudium und -beruf ein wesentliches Element auf dem Weg zur Lösung der großen gesellschaftlichen Probleme sind? Welchen Beitrag können Hochschulen, Universitäten und Politik hier gemeinsam leisten?“ fasst Dr. Lang die Sachlage zusammen.

Von Seiten der THM aus existieren bereits verschiedene Initiativen zum Werben für den Ingenieursberuf. So gibt es z. B. die sog. Schulbotschafter: Sie kommen aus dem Studium Plus und können an ihren ehemaligen Schulen, an die sie entsendet werden, auf Augenhöhe mit den Schülerinnen und Schülern, aber auch mit ihren ehemaligen Lehrkräften reden und die technischen Berufe im Allgemeinen sowie das Studium Plus im Speziellen aus erster Hand bewerben.

Wichtig sei auch, einen neuen Lernort zu entwickeln und zwar außerhalb der Schulen direkt in den Unternehmen. Insgesamt gebe es aber von Seiten der Gymnasien immer wieder Zurückhaltung aus der Sorge heraus, dass der zu intensive Kontakt mit den Unternehmen als Werbung für diese interpretiert werden könne. Aufgeschlossener seien hingegen die technisch orientierten Schulen.

Ministerin Dorn zeigte sich offen: „Wir haben in den letzten Jahren einige Programme auf den Weg gebracht, um junge Menschen für technische Themen zu begeistern. Beim ‚Hessen Technikum – Zukunft einfach ausprobieren‘ beispielsweise sollen junge Frauen am Übergang von Schule zu Hochschule für MINT-Studiengänge gewonnen werden. Dazu absolvieren sie zwei Unternehmenspraktika und ein ‚Schnupperstudium‘ in MINT-Fächern. Ein weiteres Beispiel ist das Studium der angepassten Geschwindigkeiten, das an den HAWen insbesondere bei den Ingenieurswissenschaften eingesetzt werden soll. Durch die Entzerrung des Grundstudiums um zwei Semester wird Raum für Zusatzkurse, Praxisprojekte und intensivere Betreuung geschaffen. Wichtig ist natürlich auch, dass wir die Schülerinnen und Schüler für technische Themen gewinnen. Dafür sind Schulbotschafter*innen eine bewährte Idee oder auch eine Plattform für eine bessere Vernetzung von Unternehmen und interessierten Schülerinnen und Schülern. So wird der Kontakt zu den Schulen noch leichter gemacht und die klugen Köpfe besuchen in der Folge vielleicht die THM oder eine andere Hochschule.“

Nach ihrem Grußwort zu Beginn der diesjährigen Masteranden-Abschlussfeier der THM besuchte Ministerin Dorn die Stadtbibliothek Herborn: Beim Rundgang durch die Herborner Stadtbücherei durch Fachdienstleiterin Stefanie Schlosser wurde klar, wie wichtig der einladende Bücher-Ort in einem alten Fachwerkhaus in der Herborner Altstadt dafür ist, sich eigenständig und niederschwellig Kultur und Bildung zu nähern und von ihr zu profitieren. Beim anschließenden literarischen Spaziergang durch Herborn, an der u. a. auch Bürgermeisterin Katja Gronau (parteilos) teilnahm, ging es um Frauen in der Stadt – die Führung war erstmalig zum Weltfrauentag zusammengestellt worden. So trugen Birgit Ernst vom Stadtmarketing und Stefanie Schlosser empathisch passende Texte zu den verschiedenen Haltepunkten vor, z. B. einen Text von Robert Gernhardt – „Was deine Katze wirklich denkt“ – als es um die Katzen-Marie ging, die sich vor vielen Jahren um die streunenden Katzen vor Ort kümmerte. Angela Dorn zeigte sich beeindruckt von der kulturellen Vielfalt der Stadt, die mit der Gründung der universitätsähnlichen Hohen Schule 1584 weit in die Vergangenheit reicht. Deutlich bei ihrem Besuch im Lahn-Dill-Kreis wurde, dass Bildung und Kompetenz, Kultur und Kommunikation entscheidende Elemente für das Lösen gesellschaftlicher Herausforderungen sind, damals wie heute.

Autorin: Dorothea Gillert-Marien

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