Rede zur Haushaltssatzung für die Haushaltsjahre 2024/2025

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Rede zur Haushaltssatzung für die Haushaltsjahr 2024/2025 in der Kreistagssitzung am 18.03.2024, gehalten von Martina Klement, Bündnis 90/ Die Grünen, Fraktionsvorsitzende und Mitglied des Kreistages. Die Sitzung wurde aufgezeichnet und auf Youtube veröffentlicht. Alle Reden aus dem Kreistag können hier nachgesehen werden.

 

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren!

 

Alle Jahre wieder: der Haushalt.

In diesem Jahr möchte ich mit einem dicken Lob an die Finanzabteilung unter der Leitung von Herrn Koob beginnen. Das waren in diesem Jahr ganz besondere Herausforderungen. Mit reduziertem Personal musste die sehr aufwändige Umstellung auf ein neues SAP-System gestemmt werden. Hochmotivierte Teilzeitkräfte haben dafür bis zu 60 Stunden die Woche gearbeitet. Das ist ein erheblicher Einsatz, der keineswegs selbstverständlich ist. Vielen vielen Dank dafür!

Alle Jahre wieder: die Haushaltsrede. Eigentlich ein Höhepunkt der Parlamentsdebatten.

Alle Jahre wieder das Klagelied im LDK über unterfinanzierte Pflichtaufgaben. Die freiwilligen Leistungen sind seit Jahren mit 2 Mio. gedeckelt und machen damit einen marginalen Anteil von ca. 0,04 % der Ausgaben aus.

Der lockere Spruch aus der Schulbau-AG „Dann erhöhen wir eben die Schulumlage“ hilft da nicht wirklich weiter. Auch die Kommunen sind am Limit und brauchen Luft – also Geld – zum Atmen.

Wir weisen im Doppelhaushalt 2024/2025 einen Verlust von 41 Mio. Euro aus. Damit gehen wir an unsere Schmerzgrenze. Wir verzichten auf eine weitere Erhöhung der Kreisumlage, um die Kommunen nicht noch stärker zu belasten.

Kreispolitik frustriert, weil offensichtlich kaum Gestaltungsmöglichkeiten da sind.

Kreispolitik frustriert aber auch, weil wir uns mit Themen beschäftigen, die nicht zur Kreispolitik gehören. Resolutionsanträge zur Agrardieselvergütung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge (CDU), zur Auszahlung der Agrarförderung (AfD), zum Staatsangehörigkeitsrecht (AfD), zu steigenden Wolfszahlen im Lahn-Dill-Kreis (CDU), zum Wetzlarer Kreuz (CDU), zur politischen Bildung an Schulen (AfD), zur Migration aus Afghanistan (AfD). Alle diese Anträge haben uns viel Zeit gekostet und bewirken nichts.

Aber auch Anträge, die zum Rechtsbruch auffordern helfen nicht weiter. Genannt sei hier der AfD-Antrag Aufnahmestopp für Flüchtlinge.

Ich habe hier Fraktion, die den Lahn-Dill-Kreis verbessern will – und dann diese Diskussionen… Schade.

Die meisten von uns sitzen hier im Ehrenamt und investieren wertvolle Lebenszeit. Das muss einfach wertgeschätzt werden. Und nicht nur das. Ein wertschätzender Umgang sollte selbstverständlich sein. Ein Zuhören ebenfalls. Das muss ernst genommen werden. Ansonsten werden sich die guten Leute nicht mehr in der Kommunalpolitik engagieren wollen. Wir tragen hier eine Verantwortung.

Was kann besser laufen:

Wir wollen nicht vor vollendete Tatsachen gestellt, sondern mitgenommen werden. Dort wo es Handlungsoptionen gibt, wo gestaltet werden kann, wollen wir rechtzeitig informiert und beteiligt werden. Nicht nur als Koalition, sondern auch mit den Oppositionsparteien.

Die Schulbau-AG zur KKS und zur Fröbelschule ist da ein gutes Beispiel.

Ich will auch nicht immer hören, was alles super gelaufen ist. Ich will hören, wo es klemmt und wie man damit umgeht.

Zum Haushalt selbst:

Der Haushalt wurde in der Kreistagssitzung durch den LR eingebracht, dann in den Fraktionen und Fachausschüssen diskutiert und soll schließlich nach den Haushaltsreden und Änderungsanträgen heute vom Kreistag beschlossen werden.

14 CDU-Anträge, allesamt aus der Mottenkiste.

Von AfD und Linken kamen gar keine Anträge.

In den Fachausschüssen wurden Fragen gestellt und beantwortet. Die Diskussion der Änderungsanträge erfolgte allein im HFWO. Reichte eigentlich, weil man in der Vergangenheit ja schon über alles gesprochen hatte.

Als ich im Kreistag in 2011 anfing starteten wir mit einem fetten Verlust von 31 Mio. Euro.

Die Finanzkrise aus 2009 schlug sich in unseren Zahlen nieder. Helfen konnten uns letztlich nur Schutzschirm und Hessenkasse. Aus eigener Kraft hätten wir das niemals geschafft.

Und jetzt im Doppelhaushalt haben wir einen Verlust von 41 Mio. Euro für 2024 und 2025. Und dem ist keine einmalige Finanzkrise vorausgegangen. Wir befinden uns im Dauerkrisenmodus. Die Corona-Krise zeigt Nachwirkungen. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine löste eine Energiekrise, eine Wirtschaftskrise, eine Flüchtlingskrise und eine seit Jahren unbekannte Inflation aus. Alles Dinge, die auf unseren Haushalt einen erheblichen Einfluss haben. Die durch die Inflation ausgelösten hohen Tarifabschlüsse belasten in erheblichem Umfang. Eine Entlastung durch Schutzschirm oder Hessenkasse ist nicht zu erwarten. Der Bund arbeitet sich an einem Berg von Altlasten ab und muss ganz nebenbei die neuen Krisen bewältigen.

Die Folgen der größten Krise überhaupt – der Klimakrise – werden wir in voller Brutalität leider erst zeitversetzt erfahren. Und dann werden wir denken: Hätten wir doch…– und dann wird es richtig teuer.

Immer noch oder gerade jetzt wird Klimaschutz als ideologiegetrieben abgestempelt. Grünen-Bashing ist mehr denn je angesagt, wissenschaftliche Erkenntnisse werden schlicht ignoriert. Es wird so getan, als ob wir noch jede Menge Zeit hätten und als ob es die Wirtschaft richten könne. Dabei zeigt uns die Entwicklung in den vergangenen Jahren ganz deutlich, dass das nicht stimmt.

Selbst das Verfassungsgericht sagt uns, dass hier deutlich mehr getan werden muss. Und zwar auf allen Ebenen. Die Aussage, dass wir hier im LDK allein die Welt nicht retten können mag zwar stimmen, darf aber nach dem Bundesverfassungsgericht nicht als Ausrede dafür verwendet werden, nichts oder zu wenig zu tun.

Wir im LDK haben mit der Stabstelle Klimaschutz eine sehr sehr gute Anlaufstelle. Die Stabstelle versteht sich als Dienstleister für die einzelnen Kreisabteilungen, für die Kommunen, für Unternehmen und für die Bürger. Von vielen Akteuren werden die Dienstleistungen bereits genutzt, aber es gibt noch Luft nach oben – selbst oder gerade in der eigenen Verwaltung.

Leider sehen wir immer noch Dächer, die nach einer Sanierung keine PV-Anlage auf dem Dach haben, obwohl sie optimal ausgerichtet sind. Oder Neubauten mit geschotterten Dachflächen. Eine extensive Dachbegrünung sollte schlicht Standard sein. Hier muss einfach mehr getan werden. Aktuell haben wir Grüne Gespräche geführt, die eine Verbesserung versprechen.

Und es gibt noch mehr Gutes:

Bereits 2017 wurde mit den Innungen für Sanitär- und Heizungstechnik eine Kooperationsvereinbarung getroffen mit dem Ziel die Wärmewende im LDK aktiv zu gestalten. Einfach vorausschauend! Seitdem gibt es einen regelmäßigen Austausch auf Fachebene, gegenseitige Teilnahme an gemeinsamen Veranstaltungen, gemeinsame Vorträge, eine Zusammenarbeit mit den Azubi-Guides und seit 2023 die Unterstützung bei der Gründung der Wärmepumpen-Akademie. – Da sollten all die mal hingehen, die meinen, dass das Heizungsgesetz umgehend abgeschafft werden müsse. Von den Fachleuten hören Sie ganz anderes. Dort bedauert man sogar, dass die ursprüngliche Version des Heizungsgesetzes entschärft wurde.

Nicht nur die Wärmewende fordert uns, wir haben noch ganz andere Baustellen.

Der Breitbandausbau erfährt mit unserem Haushalt einen gewaltigen Schub. Das ist notwendig, damit wir konkurrenzfähig bleiben. Und es ist absolut sinnvoll dabei die 90%ige Förderung durch Bund und Land zu nutzen.

Der Ganztagsausbau an den Schulen ist in vollem Gange und fordert jede Menge Geld und jede Menge Personal. Unsere Schulbauten müssen deutlich erweitert werden.

Die demografische Entwicklung wird an Schärfe gewinnen, weil in den nächsten Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen. Fachkräftemangel, steigender Ärzte- und Pflegebedarf sind die Folgen. Ein gangbarer Weg muss hier gefunden werden. Nicht alle Angebote werden gehalten werden können.

Die Flüchtlinge gilt es schneller zu integrieren und – falls kein Bleiberecht besteht – auch abzuschieben. Arbeitsmöglichkeiten müssen geschaffen werden. Arbeitsanreize müssen gegeben sein. Sprachkurse können auch neben einer beruflichen Tätigkeit stattfinden. – Wir erleben, dass die Akzeptanz durch die übrige Bevölkerung rasch schwindet, wenn Integrationsmaßnahmen zu langsam oder gar nicht stattfinden.

Schließlich zum Stellenplan: In meiner Kreistagszeit habe ich eine stetige Vermehrung von Stellen erlebt. Immer begründet mit neuen Aufgaben. Das irgendetwas mal einfacher wird, erlebe ich nicht. Wir haben in unserem Land mit unserem Hang zum Perfektionismus ein grundlegendes Problem.

Unsere Strukturen müssen deutlich vereinfacht und entbürokratisiert werden. Die Digitalisierung mag zwar Prozesse vereinfachen, hilft aber beim eigentlichen Problem der Überbürokratisierung nicht weiter. Das ist eine Mammutaufgabe und daran gilt es auf allen Ebenen in allen Bereichen zu arbeiten.

Doppelstrukturen gilt es zu vermeiden und Synergieeffekte müssen genutzt werden. Abläufe und Vorschriften müssen auf den Prfüstand. Wir verwalten uns zu Tode.

Hier im LDK haben wir das Beispiel der Sonderstatusstadt Wetzlar. Nahverkehr, Abfallwirtschaft, VHS, Jugendamt – alles in der Stadt Wetzlar organisiert UND im LDK. Und das obwohl Wetzlar auch Kreishauptstadt ist. Wir müssen über diese Doppelstrukturen nachdenken und sie auf den Prüfstand stellen. Weder Geld noch Personal werden wir mittel- und langfristig dafür haben. Es wäre gut, jetzt zu handeln statt später durch die Not zum Handeln gezwungen zu werden.

Aber auch bezüglich Wetzlar gibt es Gutes zu berichten. Die Stadt hat sich eine neue Stellplatzsatzung gegeben, mit der weniger Stellplätze gefordert werden. Die Stadtpolitiker haben gemerkt, dass sie ein Übermaß an Stellplätzen gefordert und vorgeschrieben haben. Für unsere THS hilft uns das leider nicht. Für diesen Neubau galt die alte völlig überzogene Stellplatzsatzung, die uns für diese einzige Schule schlappe 10 Mio. gekostet hat. Einnahmen: Null – denn wir haben großzügig auf Parkgebühren verzichtet.

Was gibt noch Gutes?

Die Kreis-Ampel funktioniert! Wir reden miteinander und wir haben Dinge bewegt. Unsere vielfältigen Meinungen und Ansätze sind zwar manchmal anstrengend, aber letztlich eine Bereicherung für den LDK.

Auf dieser Basis können wir dem Haushalt zustimmen!

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